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Stefanie Heinzmann: „Als Schülerin war ich völlig planlos“
25. November 2019




2008 gewann Stefanie Heinzmann eine Castingshow. Seitdem gehen mehrere Hits und zahlreiche Preise auf das Konto der Schweizer Pop- und Soulsängerin. Wir haben die 30-Jährige in Dortmund getroffen und mit ihr über Krisen, Talentförderung und das Ruhrgebiet gesprochen.
Stefanie Heinzmann wirkt so herzlich und bodenständig, als sei sie eben erst entdeckt worden. Dabei blickt die Schweizer Pop- und Soulsängerin mit ihren 30 Lebensjahren auf eine beeindruckende Karriere zurück. 2008 machte sie eine Gesangsshow von Stefan Raab zum Star. Seitdem verkörpert Heinzmann auf der Bühne eine selbstbewusste Powerfrau. Doch das war nicht immer so. In ihrer Jugend plagten sie Selbstzweifel. Mitschüler mobbten sie wegen ihrer Kleidung. Und auch beruflich wurde es ihr irgendwann zu viel: 2017 wollte sie dem Showgeschäft nach unzähligen Touren den Rücken kehren und dachte darüber nach, Hebamme oder Schreinerin zu werden. Nach einer dreimonatigen Auszeit stellte sie bei einer Probe mit ihrer Band dann aber fest, dass sie ihren Job liebt. Die Erfahrungen aus dieser Zeit verarbeitet sie in ihrem aktuell fünften Album „All We Need Is Love“. Wir haben die sympathische Sängerin, die noch bis Ende November durch Deutschland, Österreich und die Schweiz tourt, bei ihrem Konzert in Dortmund getroffen.




2009 hast du den Echo als beste Newcomerin des Jahres erhalten. Wird man schneller erwachsen, wenn einen der Erfolg in sehr jungen Jahren erwischt?
Ich bin auf der einen Seite schnell erwachsen geworden, auf der anderen Seite fühle ich mich noch überhaupt nicht so. Ich musste sehr früh alleine in der Welt unterwegs sein und hatte plötzlich Verantwortung für einen Job, den ich so gar nicht geplant hatte. Ich habe dadurch gelernt, auf einer Bühne zu stehen, vor großem Publikum zu singen und meine Gefühle sehr offen nach außen zu tragen und mich von Meinungen abzugrenzen, die auf mich einprasseln. Auf der anderen Seite habe ich durch meine Karriere aber auch vieles noch nicht gelernt: Ich bin in meinem Leben noch nie umgezogen. Und ich schaffe es partout nicht, Einkäufe für eine ganze Woche zu besorgen – weil ich das bislang einfach nicht so planen musste.
Wusstest du denn schon früh, dass du Sängerin werden willst?
Überhaupt nicht. Dass ich einmal Sängerin werden könnte, darüber habe ich mit 16, 17 noch gar nicht nachgedacht. Ich habe dann erst mal das Fachabitur gemacht. Und dann bin ich mit 18 zu Stefan Raabs Castingshow gegangen, und mein Leben hat sich verändert. Ich war vor kurzem mit meinem Papa wandern und habe ihn gefragt, ob er sich Sorgen gemacht hat, weil ich als Schülerin noch so planlos war. Er hat mich angeguckt und gesagt: Stefanie, manche Entscheidungen brauchen einfach Zeit. Meine Eltern wussten immer, dass ich meinen Weg gehen werde, und haben an mich geglaubt. Sie haben mir immer das Gefühl gegeben, dass ich, egal wie ich bin, gut bin.
Deine Eltern sind also deine größten Talentförderer?
Definitiv. Meine Eltern haben meinem Bruder und mir immer alle Freiheiten gelassen und uns nie zu etwas gezwungen. Meine Mutter und mein Vater wollten immer, dass wir etwas machen, mit dem wir glücklich werden. Das war ihnen auch deshalb wichtig, weil sie uns etwas anderes vorgelebt haben. Meine Eltern kommen aus einer Arbeiterfamilie und mussten sehr früh und sehr hart arbeiten. Für ihre Kinder haben sie sich das anders gewünscht. Wir sollten Berufe wählen, in denen wir aufblühen und die uns Spaß machen.
In dem Songs „Mother’s Heart“ aus deinem neuen Album „All We Need Is Love“ geht es aber auch um die Unsicherheiten in der Kindheit und Jugend. Diese Phase kennst du also auch?
„Ich hatte eine schöne Kindheit und bin sehr behütet im schweizerischen Wallis aufgewachsen. Meine Eltern haben mich mit sehr viel Liebe erzogen. Trotzdem geht es in „Mother’s Heart“ auch um Unsicherheiten und Selbstzweifel. Solche Phasen kennt jeder Mensch, egal wie behütet er aufwächst. Auch ich wurde mit zwölf in der Schule gemobbt. Das war eine schwierige Zeit, aber es hat meine Kindheit nicht unglücklich gemacht. Letztendlich bin ich sogar dankbar dafür, weil all diese Erfahrungen mich zu der Frau gemacht haben, die ich heute bin. Ich habe sehr früh gelernt, dass es mir egal ist, was andere von mir halten und dass wahre Freunde mich so annehmen und gern haben, wie ich bin.
Das Leben ist eine einzige Veränderung: Nicht alles läuft immer gut. Aber nicht alles läuft auch immer schlecht.




Nicht bei allen jungen Menschen läuft es rund. Manche brechen die Schule ab, manche haben Probleme bei der Berufsausbildung oder im Studium. Hast du einen Rat für sie?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch Leute mit tollen Jobs oder Menschen, die vermeintlich alles im Griff haben, Phasen durchleben, in denen gar nichts geht. Ich kenne das selbst: Ich habe eine tolle Familie, tolle Freunde, eine tolle Crew – und trotzdem fühle ich mich manchmal so, als würde mein Leben aus den Fugen geraten. Das ist ein menschlicher Prozess. Meistens bedeuten Phasen, in denen es nicht rund läuft, dass man etwas in seinem Leben überdenken sollte. Deshalb kann ich allen nur raten: Lasst euch nicht entmutigen. Das Leben ist eine einzige Veränderung: Nicht alles läuft immer gut. Aber nicht alles läuft auch immer schlecht.
Auch du hast schon schwierige Momente in deiner Karriere erlebt. Vor deinem neuen Album hast du dir die Frage gestellt, ob du als Künstlerin weitermachen willst. Was ist dann passiert?
Ich war in einer Phase, in der ich wahnsinnig gezweifelt habe, vor allem an meinem Job. Ich wollte alles an den Nagel hängen und war total frustriert und dünnhäutig. Da habe ich gemerkt: Ich bin müde und brauche eine Auszeit. Ich habe mich dann drei Monate rausgezogen, war nicht auf Instagram und Co. unterwegs und habe normale Dinge wie Buchhaltung gemacht. Das tat unheimlich gut. Und dann hatte ich eine Probe mit meiner Band und habe gemerkt: Natürlich will ich Musik machen. Ich habe die Wertschätzung für diesen Job nur dank dieser Auszeit wiedergefunden.
Die Musikbranche ist grundsätzlich sehr männlich. Wie gehst du damit um?
Ja, das stimmt. Von den 17 Personen in meiner Crew sind zwei weiblich – mich eingeschlossen. Das ist für mich aber auch deshalb kein Problem, weil ich in den zwölf Jahren meiner Karriere von meinen Jungs noch nie irgendeinen Spruch kassiert habe. Ich arbeite also mit echt tollen Kollegen zusammen. Meine Jungs sind total offen, und ich fühle mich nicht abgeschottet. Ich teile mir sogar meine Garderobe mit ihnen.
Du machst bei deinen Touren immer wieder auch Station im Ruhrgebiet. Wie nimmst du als Schweizerin die Region wahr?
Viele meiner Crewmitglieder wohnen mittlerweile zwar in Köln, haben aber Wurzeln im Ruhrgebiet. Für sie ist diese Region deshalb Heimat – und das spürt man dann auf den Konzerten. Wir haben hier immer eine megatolle Zeit. Die Menschen im Ruhrgebiet sind für mich einfach wahnsinnig offen, freundlich und geerdet. Sie versprühen immer eine total tolle Energie und zeigen mir, wenn ich auf der Bühne stehe, dass sie sich auf diese intensive Zeit mit mir und meiner Musik freuen. Deshalb fühle ich mich als Schweizerin im Ruhrgebiet immer gut aufgehoben.
Stefanie Heinzmann über das Ruhrgebiet
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