Berichte
Ausbildung im Lockdown? Bei den JOBLINGEN klappt's!
29. Januar 2021




Jungen Menschen mit schwierigen Startbedingungen eine Chance auf Arbeit zu geben – dafür steht die Initiative JOBLINGE. Das Engagement wird vom Initiativkreis Ruhr und der Stiftung TalentMetropole Ruhr gGmbH als Anteilseignerin getragen. Die RAG-Stiftung ist Hauptförderer. An ihren vier Standorten im Ruhrgebiet hat die Bildungsinitiative gelernt, mit der Corona-Krise umzugehen - ein Einblick.
Die Corona-Pandemie wird die Situation für Jugendliche im Ruhrgebiet mit schweren Startbedingungen nicht verbessern. Im Gegenteil: Neue Ansätze, neue Perspektiven und mehr Netzwerkarbeit sind gefordert. Genau hier setzt die Initiative JOBLINGE an, die der Initiativkreis Ruhr seit ihrem Start im Ruhrgebiet 2013 unterstützt. Jugendliche mit schweren Startbedingungen bekommen dort Hilfe auf dem Weg in Ausbildung oder Beruf. Trotz Lockdowns unterstützen die Pädagoginnen und Pädagogen der JOBLINGE gAG Ruhr zurzeit zahlreiche Jugendliche an vier Standorten der Region.
Einer von ihnen ist Omar El-Zein. Der 20-Jährige absolviert in Gelsenkirchen seine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Wie bewertet er den Lockdown, etwa mit Blick auf das Thema Berufsschule? „Derzeit funktioniert der Online-Unterricht an meiner Berufsschule in Gelsenkirchen sehr gut. Unsere Lehrerinnen und Lehrer geben sich sehr viel Mühe, den Kontakt zu uns zu halten, und uns den Lehrstoff so gut es geht zu vermitteln“, sagt er. Für das Homeschooling gehe er dennoch ausgestattet mit FFP2-Maske ins Büro. „Denn ich habe mein eigenes Einzelbüro, das technisch sehr gut ausgestattet ist, und einen Ansprechpartner vor Ort.“
Allein die Voraussetzungen für digitales Lernen zu schaffen verlangte viel Einsatz. Denn etwa 70 Prozent der teilnehmenden Jugendlichen im Ruhrgebiet verfügen nicht über Endgeräte, um dem Remote-Unterricht folgen zu können. Dennoch ist die Initiative technisch gut aufgestellt: 100 Prozent digitale Konzepte sind seit Frühjahr 2020 umgesetzt worden und mittlerweile gut eingeübt. Bei niedrigeren Infektionszahlen arbeitet die Bildungsinitiative mit Blended-Learning-Konzepten, um eine engere Betreuung zu gewährleisten: Kleingruppen kommen in die Standorte und werden betreut, der Rest der Gruppen verbleibt im digitalen Home-Office. Die Versorgung mit Technik und auch mit Internet übernimmt JOBLINGE. Das zahlt sich aus: Trotz Corona liegt die Vermittlungsquote der gemeinnützigen Bildungsinitiative für das Ausbildungsjahr 2019/2020 bei 71 Prozent langzeitarbeitsloser Jugendlicher, die es in den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben. Seit Gründung sind mehr als 1000 benachteiligte Jugendliche im Ruhrgebiet in Lehrstellen vermittelt worden. Dabei bewegt sich JOBLINGE im sogenannten „Übergangssystem“ – wird also von Jobcentern im Ruhrgebiet dafür engagiert, arbeitslosen Jugendlichen zu helfen.
Auch viele andere große Partner im Ruhrgebiet sind vom JOBLINGE-Konzept überzeugt und engagieren sich, um im Ruhrgebiet Impulse für den Strukturwandel zu setzen. Hauptförderer und Gründungsmitglied der Initiative im Ruhrgebiet ist die RAG-Stiftung. „Es freut mich sehr, dass wir mit unserer langjährigen Unterstützung des Projekts JOBLINGE einen Teil zur größeren Bildungsgerechtigkeit im Ruhrgebiet beitragen“, betont Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der JOBLINGE gAG Ruhr. „Gerade mit Blick auf die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie für chancenbenachteiligte Kinder und Jugendliche mit sich gebracht hat – und noch bringen wird, wissen wir um die Relevanz guter (Aus-)Bildungsförderung und schätzen das Engagement der Projektbeteiligten sehr“, sagt Bergerhoff-Wodopia, die auch Bildungsbeauftragte des Initiativkreises Ruhr ist. Neben der RAG-Stiftung gehören die Kötter Unternehmensgruppe, die Boston Consulting Group, der Initiativkreis Ruhr, die Kanzlei CMS und der Essener Aluminium-Produzenten Trimet zu den Mitgründern der gemeinnützigen Bildungsinitiative im Ruhrgebiet.
Als Hygienespezialisten unterstützt zum Beispiel die Kötter Gruppe JOBLINGE seit Beginn der Pandemie tatkräftig mit FFP2- und Alltagsmasken, Desinfektionsmitteln und Plexiglas-Trennwänden – eine neue Normalität für die Arbeit, nicht nur für JOBLINGE. Auch die LEG-Stiftung bleibt nicht untätig. Getreu dem Motto: „Ohne Betreuung ist die beste Technik nichts wert“, ermöglicht sie Ausstattung, stellt den Auszubildenden aber auch zwei „Digitalguides“ zur Seite, die unter anderem Administratoren-Tätigkeiten übernehmen und das Team entlasten.




Von Home-Office zu Home-Office gehen die digitalen Videoleitungen. Unternehmenspartner stellen Ausbildungsberufe vor, ehrenamtlich Engagierte helfen Jugendlichen, sich auf eine berufliche Zukunft vorzubereiten. Die digitalen Wege bringen neben Hindernissen auch einiges an Chancen. Viele Unternehmen können in der aktuellen Situation einfacher Seminare mit der Bildungsinitiative einrichten. Coachings im direkten Rahmen sind einfacher möglich, als wenn alle Teilnehmenden anreisen müssten.
Raphael Karrasch, Regionalleiter der JOBLINGE-Initiative im Ruhrgebiet, ist zuversichtlich, dass auch weitere Herausforderungen aufgefangen werden können: „Als 'Social Entrepreneurs' gehen wir mit einer wirtschaftlichen Haltung soziale Herausforderungen an. Wir haben schon vor Corona digitale Formate und Blended-Learning-Konzepte konzipiert und konnten im Frühjahr darum schnell von Präsenz auf Remote umsteigen und so das Kontakthalten zu unseren Jugendlichen und damit unseren Erfolg gewährleisten.“ Was bei weiteren Einschränkungen bis hin zu neuen und strengeren Lockdowns passiert? Karrasch: „Völlig gleich, wie sich die Situation ändert, für uns wird es jedes Mal heißen: Challenge accepted!“
Auch die Auszubildenden selbst blicken optimisch in die Zukunft. Wir haben mit Omar El-Zein über seine Wünsche und Pläne für 2021 gesprochen:




Interview mit JOBLINGE-Azubi Omar El-Zein
Omar, was sind deine Wünsche für das Jahr 2021, beruflich wie privat?
Für dieses Jahr wünsche ich mir, dass wir die Pandemie gesund durchstehen und ein wenig Normalität in den Alltag zurückkehrt. Vor allem wünsche ich mir, dass meine Ausbildung schulisch und praktisch wie geplant weiterlaufen und stattfinden kann. Dazu gehört, dass ich wie früher gemeinsam mit allen Arbeitskollegen am Standort arbeiten kann oder auch mal wieder den Standort wechseln kann.
Hast du dir ein besonderes Ziel gesetzt, was du unbedingt erreichen möchtest?
Für dieses Jahr habe ich mir fest vorgenommen, weiterhin meine Motivation hochzuhalten und am Ball zu bleiben. Für mich ist es wichtig, trotz der Umstände, gute Ergebnisse in der Schule und im Betrieb zu erzielen.
Wie bewertest du den Lockdown mit Blick auf das Thema Berufsschule?
Derzeit funktioniert der Online-Unterricht an meiner Berufsschule in Gelsenkirchen sehr gut. Unsere Lehrerinnen und Lehrer geben sich sehr viel Mühe, den Kontakt zu uns zu halten und uns den Lehrstoff so gut es geht zu vermitteln. Für das Home-Schooling gehe ich dennoch ins Büro in Gelsenkirchen, da mir mein Ausbildungsbetrieb sicheres Arbeiten ermöglicht. Ich habe mein eigenes Einzelbüro, das technisch sehr gut ausgestattet ist, und einen Ansprechpartner vor Ort. Im Büro gibt es klare Hygienekonzepte, wir haben keine Großraumbüros und es besteht Maskenpflicht. Dazu haben wir FFP2-Masken gestellt bekommen. Aber ich freue mich natürlich, wenn wieder mehr los sein kann.
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