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Talentförderung während Corona: Das sind die Preisträger des TalentAwards Ruhr 2021
11. November 2021




Bildung ist eine entscheidende Ressource des Ruhrgebiets. Die TalentMetropole Ruhr, Leitprojekt Bildung des Initiativkreises Ruhr, findet und fördert junge Menschen, die ihre schulischen und beruflichen Chancen bislang nicht optimal nutzen. Mit dem TalentAward Ruhr zeichnet sie Personen und Projekte aus, die sich besonders für den Nachwuchs engagieren. 2021 dürfen sich fünf Talentförderer aus der Region über den bereits zum achten Mal verliehenen Preis freuen. Der Corona-Sonderpreis geht an die Konzepte, die während und wegen der Pandemie entwickelt wurden, um der immer deutlicher werdenden Bildungsungerechtigkeit den Kampf anzusagen.




Besondere Förderung für geflüchtete Kinder – das Sprachbildungskonzept, von Betül Durmaz aus Essen
„Sprache ist der Schlüssel zur Integration“, sagt Betül Durmaz. Diese Überzeugung hat sich die heute 53-Jährige in ihrer Zeit als Leiterin der Grundschule Nordviertel in Essen zur Maxime gemacht und ein Sprachbildungskonzept entwickelt. Damit wurden „Seiteneinsteiger-Kinder“ gefördert – Kinder also, die nach Deutschland geflüchtet sind und fortan hier zur Schule gehen sollen. „Es kamen täglich neue Kinder zu uns“, erzählt Durmaz, die insgesamt sechs Jahre die Schulleitung der Grundschule Nordviertel in Essen innehatte. Durmaz füllte damit eine lange offene Lücke – war die Position zuvor doch in Ermangelung von KandidatInnen mehrere Jahre unbesetzt. Viele der Kinder, die Durmaz in dieser Zeit unter ihre Fittiche nahm, konnten kein Deutsch – manche hatten auch noch gar nicht Lesen und Schreiben gelernt. Und sie alle wollte Betül Durmaz so fördern, dass sie möglichst schnell am Unterricht teilhaben konnten. Zusammen mit dem Kollegium und PartnerInnenn von der Universität Duisburg-Essen entwickelte sie deshalb Kriterien, um den Lernstand der Kinder zu ermitteln. Außerdem bekamen sie zusätzlichen Deutschunterricht – bis zu zehn Stunden wöchentlich außerhalb des Klassenverbandes. „Das ist richtig gut“, erklärt Durmaz. Das Konzept enthält auch Angebote, die Sprache mit Sport und Bewegung verbinden.
Um ihr Ziel zu erreichen, geht Durmaz gern neue Wege. Offen sein im Kopf und im Herzen – das ist ihr wichtig. Nach ihrem Abitur reiste sie zunächst zehn Jahre als Stewardess um die Welt, bevor sie sich für ein Lehramtsstudium entschied. Heute leitet sie eine Grundschule in Kleve. Die Voraussetzungen sind hier andere als in Essen. Darauf will Durmaz ihr Sprachbildungskonzept nun anpassen.




Bildung kreativ denken, Wissen digital umsetzen: Ruzbeh Nagafi aus Bochum
Begeisterung wecken für Informatik – das ist die Mission von Ruzbeh Nagafi. Der 31-Jährige hat die „Digitalfabrik“ ins Leben gerufen und an verschiedenen Schulen in Bochum Arbeitsgemeinschaften angeboten zu Themen wie Cyber-Sicherheit und Medienkompetenz. Was als AG startete, wurde mit dem Corona-Lockdown zu einem handfesten Online-Angebot. In der Digitalfabrik, die inzwischen Zulauf aus dem ganzen Ruhrgebiet hat, werden Workshops zu einem breiten Spektrum an Themen aus der Welt der Informatik angeboten. „Es ist ein Rundumschlag“, sagt Nagafi dazu. Er animiert stets Menschen, die schon mit beiden Beinen im Berufsleben stehen, bei den Veranstaltungen mitzumachen ihr Wissen an SchülerInnen und Studierende weiterzugeben. Praxisnah und alltagstauglich. So möchte er dazu beitragen, den Fachkräftemangel in der IT zu mildern.
Sein „Lieblingsbeispiel“ dafür ist ein Oberstufenschüler, der bei Nagafi einen Programmierkurs besuchte. Bis dato mit Informatik nichts am Hut, merkte der junge Mann schnell, dass das genau sein Ding ist. Heute studiert er Informatik.
Es sind solche Geschichten, die Nagafi antreiben. Er organisiert, koordiniert, kommuniziert und netzwerkt für seine Digitalfabrik. Das alles macht der hauptberufliche Studienkoordinator und Talentförderer abends und am Wochenende.




Jugendliche für das Ehrenamt begeistern – Helden von morgen finden: Karina Wrona, Beate Rafalski und Clara Meyer zu Altenschildesche aus Gelsenkirchen
„Jede Generation muss gesellschaftliche Teilhabe und soziale Verantwortung neu lernen. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen schon in jungen Jahren ehrenamtliches Engagement entdecken“, meint Karina Wrona, 62. Damit dies öfter gelingt, entwickelte die langjährige Vorsitzende der Ehrenamtsagentur Gelsenkirchen den Heldenpass. Die Idee dahinter: SchülerInnen ab Klasse 9 erhalten zu Beginn eines Schuljahres eine Broschüre mit unterschiedlichen Angeboten für ehrenamtliche Tätigkeiten außerhalb der Schulzeit: Zum Beispiel im Tierheim mit anpacken, Menschen mit Behinderung bei einem Ausflug begleiten, sich bei der Tafel engagieren oder bei Veranstaltungen wie einem Weihnachtsmarkt mitmachen. Wer mindestens fünf solcher Engagements von jeweils wenigen Stunden absolviert, erhält ein Ehrenamtszertifikat. Diese Bescheinigung ist mehr als nur ein Dankeschön. Sie kann auch später auf dem beruflichen Weg von Nutzen sein. Schließlich suchen ArbeitgeberInnen nicht nur MitarbeiterInnen mit guten Noten, sondern auch mit Persönlichkeit und sozialem Engagement. Beate Rafalski, 63, Geschäftsführerin der Ehrenamtsagentur, und Honorarkraft Clara Meyer zu Altenschildesche, 24, stemmen die operative Arbeit: Sie suchen Schulen, die mitmachen und werben bei Organisationen, ehrenamtliches Engagement auch für wenige Stunden möglich zu machen. Im Schuljahr 2021/22 sind fünf Schulen dabei, drei Gymnasien sowie eine Gesamt- und eine Realschule. Irgendwann, so wünscht sich Beate Rafalski, soll der Heldenpass in allen Gelsenkirchener Schulen in der 9. Klasse zum Standardangebot gehören.




Verständnis entwickeln, Verantwortung übernehmen, Vorbild sein: Filip Dimovski, Freya Erdmann und Solveig Erdmann
Homeschooling während der Corona-Pandemie war für viele SchülerInnen kaum zu bewältigen. Es fehlte an technischer Ausstattung oder die Kinder kamen schlicht nicht damit zurecht, sich den Unterrichtsstoff selbst zu erarbeiten. Das rief drei Jugendliche aus Dortmund auf den Plan. Auch ihnen fiel das Lernen von Zuhause nicht immer leicht. Ihnen war nach eigener Aussage schnell bewusst, dass vor allem Jüngere und Schwächere dann noch größere Probleme haben würden. Deshalb organisierten sie in der AWO-Einrichtung „Bunker“ in Dortmund Lernförderung für SchülerInnen. Das Angebot mit dem Namen „Homeschooling@bunker“ sprach sich herum, und es kamen immer mehr Kinder, um sich helfen zu lassen. Der heute siebzehnjährigen Solveig Erdmann ist eine Drittklässlerin besonders in Erinnerung geblieben. „Die Schülerin hatte Probleme, ihre Matheaufgaben zu lösen. Es ging um geometrische Formen. So etwas kann man halt auch nicht gut online vermitteln“, sagt sie. Deshalb erklärte Solveig der Jüngeren Schritt für Schritt, wie sich die Aufgaben lösen ließen. Das hat geholfen – so dass selbst Pyramidenberechnungen am Ende kein Problem mehr waren. Auch Solveigs jüngere Schwester Freya hat ein Lieblingsbeispiel aus der Zeit. „Einer ‚meiner‘ Schüler konnte sich motivieren, die Aufgaben anzugehen“, erzählt sie. „Nachdem ich über Monate zweimal die Woche mit ihm geübt habe, war er dann Klassenbester!“ Filip Dimovski, der Dritte im Bunde, ist überzeugt, dass neben den konkreten Tipps für einzelne Fächer vielen der SchülerInnen geholfen hat, auch zu Zeiten des Lockdowns mindestens einen festen Termin zu haben. „Die Kinder haben ihre Routine vermisst. Unsere Stunden haben ihnen diese Orientierung gegeben“, sagt er.
Für ihren Einsatz während der Schulschließungen haben die drei viel Lob und Dank erhalten. Ihr Angebot wollen sie auch bei dem inzwischen wieder üblichen Präsenzunterricht beibehalten – und es sogar noch um gemeinsame Aktivitäten erweitern, wenn auch das wieder möglich ist.




Talente für Talente – Gemeinsam Zukunft gestalten: Das Team des TalenteNetzwerkTreffen aus Bochum
Wie wichtig es ist, sich mit anderen auszutauschen und über ein Netzwerk zu verfügen, erlebte Yazgi Yilmaz, 24, bereits in ihrer Schulzeit. Als Seiteneinsteigerin auf einem Gymnasium profitierte sie von der Unterstützung eines Talentscouts. Er lotste die Oberstufenschülerin bis zum Abitur, zeigte früh Bildungsalternativen auf und vermittelte Kontakte zur Ruhr-Universität Bochum (RUB). Als Yazgi Yilmaz vor Beginn ihres ersten Semesters an der RUB im Herbst 2017 mit anderen Talenten überlegte, wie sie sich mit ihren Talentscouts und vor allem miteinander vernetzen könnten, entstand die Idee, das TalenteNetzwerkTreffen (TNT) zu gründen. Dessen Motto lautet: Talente für Talente – Gemeinsam sind wir stark. Aktuell unterstützen sich unter der Regie eines achtköpfigen Organisationsteams etwa 200 Studierende der RUB. Sie heißen neue Talente willkommen, greifen SchülerInnen aus dem Talentscouting als TalentbotschafterInnen unter die Arme und organisieren politische Diskussionen sowie Bildungsreisen. Inzwischen ist das TNT nicht nur ein wichtiger Baustein der Talentförderung an der RUB. Die Initiative hat sich auch zu einem Impulsgeber für Talente aller nordrhein-westfälischen Talentscouting-Hochschulen entwickelt. Yazgi Yilmaz, die in Kürze ihr Bachelor-Studium für Englisch und Geschichte abschließt, gehört zu den Gründungsmitgliedern des TNT und ist eine der wichtigsten InitiatorInnen. Als Master-Studentin möchte sie daran mitwirken, die Netzwerk-Aktivitäten der NRW-Hochschulen zu verknüpfen. Und sie möchte sich als Talentscout ausbilden lassen. Damit schließt sich der Kreis im bestmöglichen Sinne: vom Talent über die Talentförderin hin zum zertifizierten Scout.
Im Gespräch mit Yazgi Yilmaz von TalenteNetzwerkTreffen
Yazgi Yilmaz (24), die aktuell ihren Master für Englisch und Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) absolviert, gehört zu den Gründungsmitgliedern des TalenteNetzwerkTreffen. Dessen Motto lautet: Talente für Talente – Gemeinsam sind wir stark. Am 11. November sind Yilmaz und ihre Kolleg:innen mit dem TalentAwardRuhr 2021 ausgezeichnet worden. Ein Interview:
Ihr habt soeben im thyssenkrupp-Quartier den TalentAward Ruhr 2021 erhalten. Wie fühlst du dich?
Es ist immer noch ein überwältigendes Gefühl, den TalentAward Ruhr in den Händen zu halten. Wir sind glücklich und fühlen uns sehr gewertschätzt. Einen so wichtigen Preis zu gewinnen, ist absolut motivierend, wenn man sich ehrenamtlich engagiert.
Was ist dein größtes Talent?
Ganz klar: Empowerment. Ich mag es, Jugendliche zu motivieren, eigene Stärken herauszukitzeln. Genau deshalb möchte ich auch Lehrerin werden: Ich begleite Schülerinnen und Schüler eben gerne auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit und helfe ihnen dabei, sich selbst zu engagieren.
Welcher Tipp hilft deiner Meinung nach, um eigene Talente zu entfalten?
Am besten ist es, wenn man Dinge ausprobiert und sich etwas zutraut. Wenn das, was man sich vorgenommen hat, dann nicht klappt, ist man um eine Erfahrung reicher. Wichtig ist auch der Austausch mit anderen, vor allem erfahreneren Personen. Der erfolgt dann am besten auf Augenhöhe – wie in unserem Programm beim TalenteNetzwerkTreffen an der RUB.
Warum ist das Ruhrgebiet „the place to be“ für junge Leute?
Weil das Ruhrgebiet jungen Leuten den Raum und die Möglichkeiten gibt, sich zu entfalten. Außerdem ist unsere Region sehr divers und es gibt unglaublich viele gute Unternehmen. Ich selbst möchte nach meinem Studium jedenfalls sehr gerne hier arbeiten und sesshaft werden.
Von Talenten für Talente: Ein Gewinnerkonzept
Herzstück des TalenteNetzwerkTreffen (TNT) ist ein achtköpfiges Organisationsteams, das aktuell etwa 200 Studierende der RUB unterstützt. Sie heißen neue Talente willkommen, greifen Schüler:innen aus dem Talentscouting als Talentbotschafter:innen unter die Arme und organisieren politische Diskussionen sowie Bildungsreisen. Inzwischen ist das TNT nicht nur ein wichtiger Baustein der Talentförderung an der RUB. Die Initiative hat sich auch zu einem Impulsgeber für Talente aller nordrhein-westfälischen Talentscouting-Hochschulen entwickelt.




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