Interviews
Die Ehrenrunde des David Behre
03. August 2021




Die Paralympischen Spiele in Tokio sollen die letzten des Ausnahmesportlers werden. Im Interview spricht der gebürtige Moerser über das Training zu Corona-Bedingungen, Paralympics im Ruhrgebiet und die Bedeutung von sportlicher Begegnung.
David Behre, die Olympischen Spiele in Tokio sind in vollem Gange. Freuen Sie sich schon auf die Paralympischen Spiele, die ab dem 24. August beginnen?
Auf jeden Fall. Ich werde hier meine Karriere beenden. Das war eigentlich schon für 2020 geplant, hat aber aus bekannten Gründen nicht geklappt. Den Körper noch einmal ein weiteres Jahr auf hohem Niveau zu trainieren, war schon hart. Umso mehr freue ich mich jetzt darauf, mich ein letztes Mal auf der ganz großen Bühne unseres Sports zu zeigen.
Das Event findet, genau wie die Olympischen Spiele, ohne Zuschauerinnen und Zuschauer statt. Wie sehr blutet Ihr Sportlerherz bei dieser Entscheidung?
Das ist natürlich sehr traurig. Bei Europa- und Weltmeisterschaften ist das Zuschauerinteresse in der Regel überschaubar. Die Paralympics sind das Event, bei dem zehntausende Zuschauer ins Stadion kommen und dich anfeuern. Wenn ich an Rio 2016 und vor allem London 2012 denke, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut. Dieses Mal wird alles anders. Aber wir müssen das jetzt akzeptieren und versuchen, trotzdem unser Bestes zu geben.
Es werden Ihre letzten Spiele sein. Welches sportliche Ziel haben Sie sich gesetzt?
Für mich gilt dieses Mal tatsächlich der Olympische Gedanke. Dabeisein ist alles. Meine Form aus Rio 2016 werde ich nicht mehr erreichen, aber das ist in Ordnung. Ich will ein letztes Mal die Atmosphäre genießen und mich so gut wie möglich aus der aktiven Karriere verabschieden.
Wie geht es nach Tokio für Sie persönlich weiter?
Ich arbeite bereits seit mehreren Jahren als Motivationsredner und bin Teilhaber eines Unternehmens, das sich auf die prothetische Versorgung von Amputierten spezialisiert hat. Für beide Bereiche habe ich dann noch mehr Zeit. Menschen zu inspirieren und gerade Amputierten zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, sind extrem erfüllende Aufgaben. Außerdem hoffe ich, dem Sport in irgendeiner Form erhalten zu bleiben. In welchem Bereich genau, kann ich im Moment noch nicht sagen.
Es ist in jedem Fall wichtig, dass wir lernen, mit dem Virus zu leben und insbesondere auch Sport weiter zu ermöglichen – vor allem für junge Menschen.




Geben Sie uns einen kurzen Einblick: Wie sahen die vergangenen eineinhalb Jahre sportlich und privat bei Ihnen aus?
Nach der Absage der Olympischen und Paralympischen Spiele im Frühjahr 2020 sind wir Athleten erst einmal in ein kleines Loch gefallen. Es war aber besser für uns, denn so hatten wir Planungssicherheit. Wären die Spiele erst kurz vor dem geplanten Start abgesagt worden, wäre es viel schwieriger gewesen. So habe ich mir Zeit nehmen können, um im Sommer 2020 mein zweites Buch zu schreiben, welches dann im September erschienen ist. Im gleichen Monat bin ich Vater einer kleinen Tochter geworden. In der Zeit danach war bei uns also eine ganze Menge los. Dass wir Kaderathleten auch im Lockdown weiter unser Training absolvieren konnten, betrachte ich als echtes Privileg. Mit Reisen zu Wettkämpfen und Trainingslagern ins Ausland war es zwar schwieriger als sonst. Aber ich will mich nicht beklagen, wir konnten weitgehend normal trainieren und unserem Sport nachgehen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie Ihrer Meinung nach auf die Sportwelt – und die deutsche Gesellschaft?
Es wird sicher noch eine ganze Weile dauern, bis die Dinge wieder einigermaßen normal laufen. Die Maske in Innenräumen oder reduzierte Zuschauerzahlen werden uns noch eine Zeit lang begleiten. Manches wird vielleicht auch dauerhaft bleiben. Eventuell müssen wir uns auf absehbare Zeit jedes Jahr neu impfen lassen. Es ist aber in jedem Fall wichtig, dass wir lernen, mit dem Virus zu leben und insbesondere auch Sport weiter zu ermöglichen – vor allem für junge Menschen.
Bei den TalentTagen Ruhr geht es vom 22. September bis zum 2. Oktober wieder darum, junge Menschen im Ruhrgebiet dabei zu unterstützen, ihre Talente zu entdecken, zu fördern und mit Blick auf die berufliche Zukunft zu nutzen. Wie wichtig ist eine solche Initiative für die jungen Menschen in der Region?
Gerade mit Blick auf die vergangenen Monate sind solche Veranstaltungen unglaublich wichtig. Junge Menschen brauchen Austausch, Erfahrungen und neue Perspektiven. Die Schule vermittelt das notwendige Wissen. Aber um herauszufinden, was mir Spaß macht und was ich gut kann, muss ich so oft es geht vor die Tür und meinen Horizont erweitern. Ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, wie es mir gegangen wäre, wenn ich mit 16 Jahren einen Lockdown hätte erleben müssen. Ich wäre vermutlich durchgedreht. Deswegen freue ich mich sehr darauf, den Teilnehmern wieder etwas von meinen Erfahrungen und meiner Geschichte mitgeben zu können.
Wichtig finde ich, dass wir bei Bewerbungen um solche Wettkämpfe von den „höher, schneller, weiter“-Programmen wegkommen.
Sie halten Vorträge, um anderen, die Schicksalsschläge erlitten haben, Mut zu machen. Welchen Rat haben Sie für junge Menschen, bei denen es nicht rund läuft?
Vergiss, was gestern war. Gestern ändert nichts, gestern hilft dir nicht. Guck nach vorne und geh deine Ziele an. Wenn du ein Problem hast, das so groß ist, dass du es nicht alleine bewältigen kannst: Frag nach Hilfe! Das kann in der Familie sein, bei einem Lehrer oder einem Trainer im Sportverein. Es erfordert Mut, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Aber hinterher fühlst du dich besser und hast neue Kraft, deine Pläne zu verwirklichen.
Mitte Mai hieß es in einer offiziellen Erklärung: Es sei das erklärte Ziel aller beteiligten Kommunen und der NRW-Landesregierung, eine Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele an Rhein und Ruhr anzustreben – auch über 2032 hinaus. Sie sind in Duisburg geboren und in Moers aufgewachsen. Wie wichtig wäre ein solches, sportliches Mega-Event für das Ruhrgebiet?
Ich würde mich freuen, wenn ich Olympische und Paralympische Spiele „vor meiner Haustüre“ erleben dürfte. Für die Region wäre das sicherlich noch einmal ein Schub, um den Strukturwandel voranzubringen. Wichtig finde ich, dass wir bei Bewerbungen um solche Wettkämpfe von den „höher, schneller, weiter“-Programmen wegkommen. Ich wünsche mir für die Zukunft nachhaltige, bestenfalls klimaneutrale Spiele mit transparenten Kosten und ohne Einschnitte für die Bürger des Gastgeberlandes. Ob eine Bewerbung mit einem solchen Konzept aber international Aussichten auf Erfolg hätte, wage ich im Moment nicht zu beurteilen.
Haben Sie einen Lieblingsort im Ruhrgebiet?
Als Moerser liebe ich die Halde Rheinpreußen in Moers. Das Leuchten im Dunkeln finde ich wirklich schön. Das gilt aber auch für andere Halden, wie zum Beispiel für die Halde Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn. Diese Orte stehen für mich für den Wandel, den das Ruhrgebiet vollzieht: von einer Industrielandschaft zu einer Region mit ganz viel Grün.
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