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Die Besten im Westen

Berichte

Die Weltverbesserin


06. Juli 2021

Gevitha Selvakumar ist studierte Umweltingenieurin und setzt sich beim Essener Spezialchemie-Konzern für umweltbewusste und langfristige Prozesse ein. (Foto: Evonik Industries / Frank Preuss)

In unserer Serie „Die Besten im Westen“ stellen wir junge Persönlichkeiten aus unserem Netzwerk vor, die für individuelle Erfolgsgeschichten stehen. Diesmal im Fokus: Gevitha Selvakumar, Spezialistin für Nachhaltigkeit bei Evonik. Mit uns spricht sie über ihren vielfältigen Arbeitsalltag, den Sinneswandel großer Unternehmen und über den besonderen Reiz des Ruhrgebiets.

Es ist keine Kleinigkeit, die Gevitha Selvakumar sich vorgenommen hat. Die junge Frau mit dem exotischen Namen, der auf ihre Vorfahren in Sri Lanka zurückgeht, will nichts weniger als die Welt etwas besser zu machen. Und das ist keine hohle Phrase – die 32-jährige hat eine sehr genaue Vorstellung davon, wie das gehen kann. Die studierte Umweltingenieurin will helfen, das Leben möglichst vieler Menschen nachhaltiger zu gestalten und hat sich dazu einen Job in einem großen Unternehmen gesucht. Weil sie hier am meisten bewegen kann, wie sie sagt. „Wir alle brauchen und verbrauchen Produkte – ohne kommen wir nicht klar. Mir geht es darum, diese Produkte besser und nachhaltiger zu machen.“ Und das tut sie – als Nachhaltigkeitsexpertin in der Abteilung Sustainability des Essener Spezialchemiekonzerns Evonik. „Früher hatte ich eine eher negative Einstellung zur Chemie – wie bestimmt viele andere auch. Durch ein Praktikum bei Evonik habe ich die Materie allerdings besser kennengelernt und festgestellt, dass die vielen Produkte hier einen entscheidenden Einfluss haben auf alles, was daraus entsteht“, erzählt sie. Für sie bedeutet das im Umkehrschluss: „Chemie ist ein großer Hebel für Nachhaltigkeit.“

Ich arbeite querbeet mit allen Kollegen und allen Abteilungen zusammen, um festzustellen, wo wir noch etwas tun sollten.

Als Beispiel, das es ihr besonders angetan hat, nennt sie den Zusatzstoff VESTENAMER aus dem Produktprogramm des Konzerns. Dieses Additiv wird in Granulat-Form hergestellt und kann zusammen mit Gummimehlen aus Reifen dem Straßenasphalt beigemischt werden. Dieser avanciert so zu einem Hochleistungsprodukt – zu offenporigem Asphalt nämlich: Rollen Fahrzeuge darüber, entsteht viel weniger Lärm als bei üblichem Straßenbelag. Grob gesagt, ermöglicht das Gemisch Räume, die ein paar Dezibel „schlucken“. Doch das ist es nicht allein, was Gevitha Selvakumar an VESTENAMER begeistert. Sie denkt dabei vor allem daran, wie der Hochleistungsasphalt entsteht: aus dem Gummi von alten Reifen. Allein in Deutschland werden davon bis dato rund 170.000 Tonnen jährlich verbrannt, wobei unter anderem große Mengen CO2 entstehen. Mithilfe von VESTANAMER können die Reifen hingegen als Rohstoff im Straßenbau genutzt und CO2 eingespart werden. „Ich war von Anfang an dabei, was Nachhaltigkeit angeht“, erzählt Selvakumar zur Entwicklung des Produkts. „Wir haben ganz viele Labortests gemacht. Diese haben zum Beispiel auch gezeigt, dass das spezielle Asphaltgemisch zu einer längeren Lebenszeit der Straßen beiträgt.“

 

Die Nachhaltigkeitsbilanz des Chemiekonzerns orientiert sich am internationalen Standard des World Business Council for Sustainable Development. (Foto: Evonik Industries / Frank Preuss)

Eine runde Sache also. Eben solche Ideen sind es, für die sich Gevitha Selvakumar einsetzt. Dazu nimmt sie regelmäßig auch bestehende Produkte und Prozesse unter die Lupe. Deren „Nachhaltigkeits-Bilanz“ wird mithilfe einer festgelegten Vorgehensweise ermittelt: „Wir analysieren das zum Beispiel über die Methodik des WBCSD.“ Der Standard des World Business Council for Sustainable Development sei international anerkannt für den Chemie-Bereich und andere Industrien, erklärt Selvakumar. Damit würden viele Aspekte kontrolliert: Woher stammen die Rohstoffe? Wie sieht es aus mit Arbeits- und sozialen Standards in dem Land? Und natürlich auch: Wie können der CO2-Fußabdruck, der Verbrauch von Wasser sowie der Einfluss auf Boden und Luft klein gehalten werden? „Ich arbeite querbeet mit allen Kollegen und allen Abteilungen zusammen, um festzustellen, wo wir noch etwas tun sollten“, erläutert Selvakumar.

Nachhaltigkeit als Teil der Corporate Identity

 

Dabei gibt sie, wie sie selbst sagt, „Starthilfe“ für das Thema. „Da sind ja immer viele unterschiedliche Aspekte. Zum Beispiel wäre es ein Problem, eine Anlage oder vielmehr einen Produktionsprozess, der viel Wasser verbraucht, in einem Land aufzubauen, wo diese Ressource knapp ist. Mit anderen Worten: Ich schaue immer, wo sind Stärken und Schwächen eines Produktes oder Prozesses und wie passt das mit den Bedingungen vor Ort zusammen. Das herauszufinden ist meine Aufgabe. Zusammen mit Kollegen eruiere ich zudem zukünftige Chancen und Risiken für das Geschäft. Und zwar nicht nur für unsere Produkte, sondern ich betrachte die gesamte Wertschöpfungskette.“

Selvakumar muss sich dazu durch unterschiedliche Abteilungen navigieren – zum Beispiel spielen die Bereiche Forschung und Entwicklung, Anwendung oder Marketing eine große Rolle. Viel zu schaffen also für die junge Frau. Doch das tut ihrer Laune keinen Abbruch. Im Gegenteil: Sie freut sich, dass das Thema Nachhaltigkeit Fahrt aufgenommen hat. „Vor fünf Jahren war das für viele Menschen noch eher ein Randthema. Es wurde mal nach dem CO2-Fußabdruck gefragt, weil die Zahl einfach ‚nice to have‘ war. Heute muss ich niemandem mehr erklären, warum Nachhaltigkeit wichtig ist. Es ist nun ein ‚Must-have‘. Es ist genau das eingetroffen, was wir uns erhofft hatten.“

Diesen Weg unterstützt Selvakumar gern mit all ihrer Expertise. Als Umweltingenieurin hat sie an der TU Darmstadt und ein Auslandssemester lang in Amherst im US-Bundesstaat Massachusetts studiert. „Naturwissenschaften liegen mir, deshalb wollte ich Ingenieurin werden. Und ich bin sehr naturverbunden“, sagt Selvakumar, die im Saarland aufgewachsen ist. „Da kam es mir gerade recht, dass 2008 der Umweltingenieur als Fach in Darmstadt angeboten wurde.“ Und warum Amherst? „Für mich war immer klar, ich möchte noch woanders studieren“, sagt sie zu ihrer Motivation. „USA fand ich ganz spannend – ein Land voller Möglichkeiten. Und ein Melting Pot.“

Ich glaube, Chemie könnte nach der Kohle eine neue Erfolgsgeschichte werden. Weil sie ein Hebel ist für nachhaltige Entwicklung. Davon bin ich fest überzeugt.

Doch auf Dauer wollte sie dort nicht bleiben, es zog sie zurück in heimische Gefilde. Wieder in Deutschland ergatterte sie einen Job bei Evonik, arbeitete zunächst im Chemiepark Marl, später dann heuerte sie in der Zentrale in Essen an. Sie lebt in Düsseldorf. „Ich dachte, eine Großstadt wäre nett“, sagt sie. Und tatsächlich – das Leben hier gefällt ihr sehr. „Ich finde es total schön, in der Nähe eines großen Flusses zu wohnen“, erzählt Selvakumar. „Der Rhein ist nur zehn Minuten entfernt – und jedes Mal, wenn ich da bin, fühle ich mich wie im Urlaub.“ Überhaupt habe sie sich im Rheinland und im Ruhrgebiet direkt wohlgefühlt. „Die Menschen hier sind sehr offen und freundlich.“ Und auch beruflich sei sie hier genau richtig, sagt sie. „NRW hat die größte Dichte an Chemieunternehmen in Deutschland. Ich glaube, Chemie könnte nach der Kohle eine neue Erfolgsgeschichte werden. Weil sie ein Hebel ist für nachhaltige Entwicklung. Davon bin ich fest überzeugt.“

Sie haben Fragen an Gevitha Selvakumar? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail.


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