Interviews

Warum die Global Young Faculty ein einzigartiges Netzwerk im Ruhrgebiet ist


30. September 2020

Das erste Zwischentreffen der Global Young Faculty fand Ende September unter den derzeit geltenden Hygiene- und Abstandsregeln auf dem G Data Campus in Bochum statt. (Foto: GYF)

Das Angebot der Global Young Faculty (GYF) richtet sich an Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, die Interesse an gemeinsamen Projekten zur Zukunft der Region haben. 2019 fiel der Startschuss für die sechste Kohorte – nun fand das erste Zwischentreffen statt. Projektmanager Dr. Arne Schumacher berichtet über die Ergebnisse, den weiteren Fahrplan und die Einzigartigkeit des Projekts.

Die Global Young Faculty (GYF) ist ein 2009 gestartetes Programm des Mercator Research Center Ruhr, der Stiftung Mercator und der Universitätsallianz Ruhr. Seit 2017 beteiligt sich der Initiativkreis Ruhr an dem Programm. Mit der GYF wird ein einzigartiges Netzwerk für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft etabliert, das Fachkräfte von heute und morgen unmittelbar miteinbezieht. Aus dem intensiven Austausch sollen gute Ideen, neue Impulse und konkrete Projekte entstehen, von denen am Ende die gesamte Region profitieren kann. Wir haben mit Projektmanager Dr. Arne Schumacher vom Mercator Research Center Ruhr über die GYF gesprochen.

Dr. Arne Schumacher ist Projektmanager der GYF. (Foto: Global Young Faculty)

Herr Dr. Schumacher, was ist das Besondere an dem Format Global Young Faculty?
Die GYF vernetzt den wissenschaftlichen Nachwuchs im Ruhrgebiet interdisziplinär - und das nun bereits zum sechsten Mal. An dem Programm haben seit der ersten Runde im Jahr 2009 rund 300 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus den UA Ruhr-Universitäten und den außeruniversitären Forschungsreinrichtungen der Region teilgenommen, um in Projekten zu selbstgewählten gesellschaftlich relevanten Themen zu arbeiten. Seit der GYF V wird die GYF zudem durch Nachwuchskräfte aus regionalen Unternehmen ergänzt, die der Initiativkreis Ruhr auswählt und die den Nachwuchswissenschaftlern einen Blick in die Wirtschaftswelt ermöglichen. Die Mitglieder lernen in dieser interdisziplinären Kooperation andere Denk-, Fach- und Arbeitskulturen kennen, was gemeinhin als sehr bereichernd empfunden wird, nicht zuletzt für die eigene fachliche Arbeit. Zugleich wollen die einzelnen AG’s mit ihren Projekten natürlich auf ihr jeweiliges Anliegen aufmerksam machen. So verhandeln die AG’s in der aktuellen Runde die Themen ‚Identität im digitalen Zeitalter‘, ‚Identity Politics‘, den Umgang mit populistischen Strömungen und ‚klimabewusstes Verhalten‘. Die Projekte sind finanziell gut ausgestattet und agieren, weitestgehend ohne Zielvorgaben, mit wissenschaftlicher, gesellschaftlicher oder künstlerischer Stoßrichtung – diese freie, kreative und interdisziplinäre Arbeit ist in der Form einzigartig.

Was kann die Wirtschaft von der (angewandten) Wissenschaft lernen? Und was die Wissenschaft von der Wirtschaft?
Grundsätzlich teilen sich in der GYF Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter gemeinsame Erfahrungsräume, was ihnen eine gelingende Kooperation und Kommunikation in den AG-Projekten problemlos ermöglicht. So haben etwa die Mitglieder aus der Wirtschaft einen akademischen Hintergrund und die Wissenschaftler haben zum Beispiel Erfahrungen im Bereich des Projektmanagements. Abgesehen vom Fachlichen liegt der Unterschied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der GYF daher meiner Meinung nach weniger in abgrenzbaren Denkweisen – zumal die Wirtschaftswissenschaftlerin von der Uni dem Banker des Initiativkreises disziplinär wohl näher steht als dem Theologen oder dem klassischen Philosophen. Auch ergibt sich aus der oftmals gesellschaftlich ausgerichteten Thematik der AG-Projekte kein Vorteil für einen eher akademischen oder einen eher ökonomischen Zugriff – hier können sich beide Seiten gleich gut einbringen, weil man eben nicht streng wissenschaftlich oder nach unternehmerischen Leitlinien arbeiten muss. Befruchtend scheinen mir deshalb vor allem die unterschiedlichen Herangehensweisen an Situationen, die sich in der AG-Arbeit der GYF ergeben. Ich beobachte, dass insbesondere das eine oder andere Mitglied aus der Wirtschaft Projektschritte sehr strategisch angeht, das Projekt nach innen und nach außen klar kommuniziert und etwa im Kontakt mit Dienstleistern zielorientiert auftritt. Hier liegt der Fokus auf dem guten Management des Projekts, das durchaus an ‚wirtschaftlichen Routinen‘ geschult ist. Das ein oder andere wissenschaftliche Mitglied hingegen legt seinen Fokus eher auf die theoretische Durchdringung des Projekt-Themas oder auf die Unterfütterung der Projekt-Idee mit empirischen Daten. Hier geht es eher um das Projektfundament. Ich glaube, beide Seiten können sich bei der jeweils anderen einiges abschauen, denn die Aufgabenbereiche werden in den AG’s nicht nach wissenschaftlichen und Initiativkreis-Kompetenzbereichen getrennt, sondern im Team gemeinsam gelöst.

Die Arbeitsgruppen wollen wirksam und nachhaltig sein

Die Gruppen-Arbeitsphase der sechsten Kohorte begann im Oktober 2019. Bei einem Auftaktworkshop (Foto: Simon Bierwald/MERCUR) legten die Teilnehmer ihre selbstbestimmten Arbeitsschwerpunkte und Projektgruppen fest.

Wie läuft die Arbeit in den einzelnen Gruppen in Zeiten der Corona-Pandemie ab?
Wir haben die Treffen der AG’s im März auf digitale Meetings mit Konferenz-Tools umgestellt. Anfängliche Befürchtungen, dass die Projektarbeit unter Corona leiden wird, haben sich nicht bestätigt und wir rechnen nach wie vor mit guten Ergebnissen. Dennoch ist dieser Modus natürlich der Pandemie-Situation geschuldet und ein primäres Ziel der GYF – der persönliche Kontakt der Mitglieder zueinander – ist durch Corona stark eingeschränkt. Nachdem wir das erste Zwischentreffen im April ausfallen lassen mussten, haben wir Ende September nun ein Zwischentreffen mit dem gebotenen Hygienekonzept abgehalten. Die Mitglieder haben das persönliche Wiedersehen sehr genossen.

Was waren die zentralen Erkenntnisse des Treffens?
Die Ideen vom GYF-Auftakt in Heiligenhaus sind inzwischen zu komplexen Projekten gereift, teils wissenschaftlich, teils gesellschaftlich, teils künstlerisch perspektiviert, auf jeden Fall spannend und ambitioniert – und was ganz klar ist: Alle AG’s haben ein Anliegen, wollen wirksam und nachhaltig sein und schließen an bestehende Debatten an. Als Beispiel sei hier die AG ‚Unsicherheit Jetzt – Strategien, Praktiken, Ressourcen‘ genannt, die unter anderem an Strategien zum Umgang mit Unsicherheit im Kontext einer als krisenhaft wahrgenommenen Gegenwart arbeitet und dazu eine Handreichung zur politischen Bildung entwickelt. Wenn solche Ansätze fruchten, dann ist dem Anliegen der GYF gedient.

Ich glaube, dass die GYF ein Format ist, in dem die Wissenschaftler sich über Disziplingrenzen hinweg ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusstwerden können.

Wie sieht der weitere Fahrplan der sechsten GYF-Kohorte aus?
Die AG’s werden ihre Projekte bis Anfang 2021 zum Abschluss bringen und ihre Ergebnisse auf eigenen Abschlussveranstaltungen präsentieren. Wir sind gespannt auf etwa eine Podcast-Serie zum Thema ‚Identity in Digital Times‘, eine Fotoausstellung zum Thema ‚Grenzüberschreitung‘, ein Glossar zum Thema ‚Unsicherheit‘ sowie eine Abendveranstaltung mit Mikroprojekten zum Thema ‚Klimawandel‘. Der Kreis schließt sich am 18. März, wenn wir die GYF in feierlichem Rahmen auf der Zeche Zollverein beschließen.

Hoher Stellenwert von Wissenschaft in der Corona-Krise

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genießen in der Corona-Krise eine erhöhte Sichtbarkeit und ein steigendes Vertrauen. Erwartet uns in den kommenden Jahren ein Wissenschaftsboom?
Die Wissenschaft soll auch weiterhin nüchtern arbeiten, sich ausschließlich von objektiven Kriterien leiten lassen und der Menschheit mit ihren Ergebnissen dienen. Gleichwohl wird die Wissenschaft in Zukunft gut daran tun, ihre Ergebnisse klar zu kommunizieren, um gut aufgestellt zu sein gegenüber den lauter werdenden wissenschaftskritischen Stimmen in manchen Bereichen der Gesellschaft. Ich glaube, dass die GYF ein Format ist, in dem die Wissenschaftler sich über Disziplingrenzen hinweg ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusstwerden können. Sie tun das ja auch aktiv, indem sie über den Zeitraum von 1,5 Jahren über gesellschaftlich relevante Themen diskutieren und etwas zu der zugrundeliegenden Debatte beitragen.

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