Interviews
„Wir verbessern die Lebensqualität der Menschen vor Ort“
01. März 2021




Burkhard Drescher ist seit zehn Jahren Geschäftsführer bei InnovationCity Management GmbH. Wir haben mit ihm über Eisbären, Fridays for Future und die Zukunft des Klima- und Stadterneuerungsprojekts in der „Modellstadt Bottrop“ gesprochen, das der Initiativkreis Ruhr ins Leben gerufen hat.
Herr Drescher, nach zehn Jahren steht das Projekt InnovationCity Ruhr nun vor dem Abschluss. Was sind Ihre persönlichen Erkenntnisse aus dieser Zeit?
Als ich 2011 zugestimmt habe, mich um das Projekt zu kümmern, gab es nur ein kleines Bürogebäude mit einem kleinen Team. Mittlerweile haben wir 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und arbeiten bundesweit. Das zeigt: Das Thema Klimawandel hat sich entwickelt, die Lebensumstände haben sich verändert, und das hat natürlich auch Einfluss auf die Bereitschaft, etwas zu verändern. Das Thema bewegt die Leute. Wir können in den Kommunen zwar nicht den Eisbären retten, aber wir können die Lebensqualität hier vor Ort ändern. Denn: Klimaschutz bedeutet eine Verbesserung der Lebensqualität. Zum Beispiel sorgt eine bessere Dämmung der Fenster auch dafür, dass Lärm weniger schnell durchdringt.
Meine zentrale Lehre ist: Die Leute müssen erkennen, dass sie auch einen finanziellen Vorteil durch die Modernisierung haben. Das ist genau der Hebel, den wir ansetzen. Wir müssen den Hausbesitzern klarmachen, dass sie Geld sparen können und dabei noch etwas für das Klima tun können. Für die jüngere Generation dagegen hat das eine ganz andere Wertigkeit: Sie wird nämlich unter Umständen irgendwann bis zu den Knien im Wasser stehen.




Gibt es bestimmte Gruppen, die durch das Projekt besonders angesprochen wurden?
Wir haben gemerkt, dass wir vor allem durch unsere Energieberatungen auf offene Ohren stoßen. Unsere Berater machen sich auf den Weg und erklären den Leuten zu Hause, wo sie ansetzen können. Das kommt natürlich vor allem bei den Hausbesitzern gut an. Schwieriger ist es da bei Menschen, die in Mietwohnungen leben, da sie abhängig vom Vermieter sind. Glücklicherweise haben wir mehrfach mit Gesellschaften wie Vonovia und Vivawest zusammengearbeitet, die sich in einer sozialen Verantwortung sehen und die Mieter dahingehend unterstützt haben.
Vor allem die energetische Modernisierung von Gebäuden ist essentiell. Fast 40 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland kommen aus Gebäuden. Deshalb kann man da eine Menge bewegen.
Dem Ruhri an sich kann man nicht mit Powerpoint-Präsentationen kommen, man muss den Leuten schon etwas Handfestes zeigen.
Wie lässt sich so ein ambitioniertes Projekt wie InnovationCity am besten umsetzen?
Es gibt zwei entscheidende Faktoren: die Organisation eines solchen Großprojektes und den Punkt, dass man Veränderungen greifbar machen muss für die Menschen. Ich hatte glücklicherweise schon einschlägige Erfahrungen mit Organisation und Finanzierung entsprechender Projekte. Dem Ruhri an sich kann man aber nicht mit Powerpoint-Präsentationen kommen, man muss den Leuten schon etwas Handfestes zeigen. Also haben wir einfach angefangen, verschiedene Projekte zu realisieren. So haben wir mit großer Unterstützung der RAG-Stiftung Energiehäuser gebaut und anschließend sogar Bustouren veranstaltet, um den Leuten zu zeigen, worauf sie sich einlassen. Das macht das Thema konkreter und greifbarer. Wir haben uns zusätzlich bemüht, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen, von Stadtverwaltung über Immobiliengesellschaften bis hin zur Wissenschaft, deren Kenntnisse wir immer dankbar mit eingebunden haben. Und nicht zuletzt spielt auch die Aktivierung der jüngeren Generation eine wichtige Rolle. Wir haben große Veranstaltungen mit Schülern gemacht. Bei Wettbewerben zum Thema Umweltschutz waren die Bottroper Schulen immer ganz vorne mit dabei. Die Kinder tragen das in die Familien und schaffen es, die ältere Generation zu sensibilisieren. Die erste Smart-Home-Anlage, die wir realisiert haben, war in einem Kindergarten.
Stichwort junge Generation: Bewegungen wie Fridays for Future haben das gleiche Anliegen, aber einen anderen Ansatz. Wie stehen Sie zu solchen Initiativen?
Ich unterstütze Fridays for Future. Die junge Generation hat eine ganz andere Betroffenheit, und es ist richtig, dass sie aufsteht gegen eine Politik, die zu langsam und wirkungslos handelt.




Aktuell wird noch gerechnet, ob InnovationCity sein Ziel der Halbierung der Kohlendioxid-Emissionen in der Zeit von 2010 bis 2020 im Bottroper Projektquartier erreicht hat. Von dem Konzept profitieren aber bereits andere Kommunen. Wie geht es weiter für InnovationCity Ruhr?
Wir haben schon 2014 einen Leitfaden entwickelt, wie man unser Konzept auf andere Städte übertragen kann. Zum Beispiel haben wir 2016 im Auftrag der Landesregierung NRW 20 Quartiere im gesamten Ruhrgebiet beraten und teilweise auch die anschließende Umsetzung der Quartierskonzepte übernommen. Seit einigen Jahren ist die Innovation City Management GmbH auch bundesweit unterwegs mit Projekten in Berlin, Hamburg oder Thüringen. Sogar bis nach Luxemburg haben wir es geschafft. Den ganzheitlichen Ansatz, wie wir ihn verfolgen, gibt es woanders nicht unter Beratungsunternehmen, und das wollen wir uns zunutze machen. Wir haben dank des Initiativkreises Ruhr sehr gute Kontakte zur Industrie und zu den Städten. Wir entwickeln eine langfristige Perspektive für unsere Gesellschaft. Das Thema Klimaschutz wird uns nicht verlassen, und deshalb wird Bottrop auch in Zukunft Akzente setzen – bundesweit wie international.
Was kann oder muss die Bundesregierung tun, damit das gute Beispiel InnovationCity in ganz Deutschland implementiert werden kann?
Bei der energetischen Modernisierung von Gebäuden lenkt der Bund mit seiner Förderung in die falsche Richtung. Momentan kann man sagen, dass gefördert wird, wenn sichdie Modernisierung eines Gebäudes im Luxussegment abspielt. Das Problem: Die Mehrkosten, die durch diese Modernisierung anfallen, werden durch die Förderung nicht ausreichend kompensiert. Die breite Masse kann diese Fördermöglichkeiten nicht nutzen, es fehlt also der Anreiz. Wir haben einen anderen Ansatz: Wir fördern alles, was am Gebäude CO2 einspart – hier in Bottrop in mittlerweile 1000 Fällen. Wenn die Politik unser Konzept auf die Republik ausweiten würde, hätte sie ein beachtliches Konjunktur-Programm, das die Wirtschaft nach der Corona-Krise ankurbelt. Doch die Bundesregierung sagt, sie könne nicht fördern, was sowieso gesetzlich vorgeschrieben sei. Und das Ergebnis ist: Der Bundesdurchschnitt von energetischer Modernisierung liegt bei unter einem Prozent, während er in Bottrop konstant bei über drei Prozent liegt.
Ein anderer wichtiger Punkt ist das Denken von oben nach unten. So erreicht man die Menschen nicht. Wir haben in unserem Konzept die Energiewende von unten nach oben implementiert: vom Haus ins Quartier, vom Quartier in die Stadt. So können wir jedes Quartier energetisch autark und technologisch umrüsten. Die Kommunikation mit den Betroffenen ist hier das Stichwort. Was sind Wünsche und Bedürfnisse, und wie lassen sie sich mit der von uns angebotenen Modernisierung verbinden? Nur so werden Hausbesitzer und Mieter überzeugt, wird die Lebensqualität nachhaltig verbessert.
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