Von der Vision des Ruhrgebiets als Garten Eden: Ein Doppelinterview zur Zukunft von InnovationCity Ruhr
08. Juli 2022




Von der InnovationCity Bottrop-Macherin zur bundesweit agierenden Klimastädte-Macherin: Unser Energie-Leitprojekt geht fortan neue Wege mit der neuen Hauptgesellschafterin GREENZERO. Wir haben mit Co-Moderator des Initiativkreises Ruhr, Dr. Andreas Maurer und Dr. Dirk Gratzel von der GREENZERO Beteiligungsgesellschaft über die Anfänge des Dekadenprojektes, persönliche Highlights und über die Vision eines paradisischen Ruhrgebiets gesprochen.
Herr Dr. Maurer, wie lange begleiten Sie InnovationCity Ruhr schon?
Mein erster Kontakt mit InnovationCity (IC) war als ich 2016 neues Persönliches Mitglied für die Boston Consulting Group im Initiativkreis Ruhr (IR) wurde. In der Vollversammlung wurde immer wieder von den neuesten Entwicklungen bei IC berichtet. Durch die Beiträge des Geschäftsführers Burkhard Drescher habe ich erfahren, wie die CO2-Reduktion in Bottrop vorangeht und dass das Thema immer mehr Zuspruch erfahren hat. Als ich zu Beginn des Jahres 2021 Co-Moderator des Initiativkreises Ruhr wurde, wurde ich auch Aufsichtsratsmitglied bei InnovationCity. So habe ich die spannende Phase des Eigentumsübergangs vom Initiativkreis Ruhr zu GREEMZERO eng begleiten können. Das war mir eine besondere Freude!
Warum wurde InnovationCity in der Industrieregion Ruhr so ein Erfolg?
Der damalige IR-Moderator, Wulf Bernotat von E.ON, war die treibende Kraft. Ausgerechnet im Ruhrgebiet, in einer Industrieregion, die gebaut und bebaut ist, das Thema CO2-Reduktion anzugehen, war zu dieser Zeit visionär. Die Idee war zielführend und sinnvoll und ist für die Marke Ruhrgebiet bedeutsam. Denn: Wenn man nicht aus dem Ruhrgebiet stammt, würde man so ein Klima-Projekt hier ja nicht vermuten. 2010 war Klimaschutz noch nicht in aller Munde wie heute oder spätestens seit der Pariser Klimakonferenz 2015. Damals war nicht klar, dass das Projekt ein Erfolg wird. Der Initiativkreis Ruhr ist durchaus ins Risiko gegangen. Nach mehr als zehn Jahren ist es darum besonders befriedigend, dass auch auf die Marke Ruhrgebiet positiv eingezahlt wurde.
Wie ist InnovationCity damals gestartet?
Der Initiativkreis Ruhr hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben für die „Klimastadt der Zukunft“. Das war eine Ausschreibung unter Ruhrgebietskommunen. 16 Kommunen hatten sich beworben, wurden in einem zweistufigen Auswahlprozess bewertet und letztendlich hat Bottrop am meisten überzeugt. So kam es dazu, das Bottrop auch Sitz der Innovation City Management GmbH (ICM) wurde. Man hat damals gesagt, man möchte Ressourcen nachhaltig nutzen und CO2 halbieren. Das wurde erreicht, in dem die Mitarbeiter der IC Energieberatungen durchgeführt haben und die Haushalte in Bottrop das gut angenommen haben. So konnte man nach zehn Jahren, also 2020, genau sehen, dass der CO2-Verbrauch in dem Pilotgebiet sich um die Hälfte reduziert hatte. So wie Experten das im Vorfeld als möglich eingeschätzt haben.




Inwieweit hat InnovationCity da Pionierarbeit geleistet?
Es gab später auch andere, vergleichbare Projekte, auch außerhalb des Ruhrgebiets. Das ist heute in aller Munde. Was besonders ist, ist die Aufmerksamkeit, die das Ruhrgebiet erzielt hat und das IC heute noch als Benchmark in dem Zusammenhang mit dem Thema Klimaschutz in Städten genannt wird. Zum einen, weil man 2010 mit diesem Thema früh dran war, und zum anderen, weil die Ergebnisse immer noch vorzeigbar sind. Kurz gesagt: Das Timing war super. Und heute sagen wir: What's next? Was kommt jetzt? Denn da können wir ja nicht stehen bleiben. Wenn wir das Ziel der Klimaerwärmung von maximal 1,5 Grad erreichen wollen, müssen wir jetzt weitergehen.
Der Initiativkreis Ruhr hat InnovationCity 12 Jahre eng begleitet. Was hat der IR daraus mitgenommen?
Was wir gelernt haben, ist die Zusammenarbeit mit Kommunen. Die Beharrlichkeit, an so einem Projekt festzuhalten und die Balance in der Arbeit – Vernetzung, Initiierung – zu halten. Das hatten wir in der Verbindung vorher noch nie gemacht, so eine Initiative mit vielen Stakeholdern im gesamten Lebenszyklus zu managen, das war neu. Die Learnings daraus wollen wir auch für das neue Leitprojekt Urbane Zukunft Ruhr nutzen.
Sie waren zuletzt sehr intensiv mit InnovationCity beschäftigt und haben den Übergabeprozess zu „greenzero“ eng begleitet. Haben Sie ein Highlight aus dieser sicherlich spannenden Zeit?
Ja, das war auf jeden Fall die Abschlussveranstaltung des Dekadenprojekts, bei der die Aufmerksamkeit doch beachtlich war. Das war schon ein absolutes Highlight, ein Projekt mit so einem sichtbaren Ergebnis abschließen zu können und auch das entsprechende Echo darauf zu erleben. Das zweite Highlight ist, dass wir den Übergang in eine neue Eignerschaft geschafft haben. Dass wir mit GREENZERO nicht nur einen Interessenten gefunden haben, sondern einen, der in meiner Wahrnehmung authentischer nicht sein könnte in dem, was er tut und vorhat.
Ein weiterer Aspekt ist die Vision der Klimaneutralität bei ICM - das geht weit über die CO2-Reduktion in Wohngebieten hinaus. Und dafür steht der neue Eigner GREENZERO.
Der IR war 12 Jahre mit dabei. Provokant gefragt: Kann InnovationCity ohne den Initiativkreis erfolgreich sein?
Aus meiner Sicht ja. Der IR ist ja aus sich heraus kein Profi in Sachen Nachhaltigkeit. Wir haben da Expertise, ja, aber sind keine originären Experten. Wir haben am lebenden Objekt geübt, das ja. Aber durch die Expertise von GREENZERO ist inhaltlich für neue Dynamik gesorgt und da wir die Finanzierung auf solide Beine gestellt haben, glaube ich, dass diesem neuen Schub nichts im Wege steht. Um diese nächste Vision zu entwickeln, diese neue Stufe zu erreichen, dafür sind die neuen Eigner, Dirk Gratzel und sein Team, ausgezeichnet geeignet.
Der Initiativkreis ist ja nicht ganz raus... Wie würden Sie die weitergehende Rolle des IR beschreiben?
Wir halten weiterhin 16% der Anteile an unserem „Baby“ und sind damit immer noch zweitgrößter Anteilseigner. Wir werden die Innovation City Management GmbH natürlich konstruktiv und wohlwollend weiter begleiten, auch als Gralshüter des bisherig Erreichten. Und es gibt die Konstante in der Geschäftsführung. Burkhard Drescher bleibt das Gesicht von InnovationCity. Insofern ist für die Kontinuität an der Stelle gesorgt. Ein weiterer Aspekt ist die Vision der Klimaneutralität bei ICM - das geht weit über die CO2-Reduktion in Wohngebieten hinaus. Und dafür steht der neue Eigner GREENZERO.
Warum ist InnovationCity bei GREENZERO in guten Händen?
GREENZERO ist ein neuer Eigner mit neuer Vision, der das Alte erhält, aber den neuen Gedanken der Klimaneutralität einbringt. Das ist eben genau die Antwort auf unsere Frage: Was kommt als Nächstes? Da ist nun jemand, der hat diesen Plan, diese Vision, die kann er jetzt gestalten. Das passt perfekt in die Zeit und ist eine Weiterentwicklung des Ursprungsgedankens. Dass das Ziel Klimaneutralität sehr ambitioniert ist, ist klar. Aber es gibt einen Plan, und der kann jetzt mit Inhalt gefüllt werden.




Herr Dr. Gratzel, Sie sind mit GREENZERO jetzt neuer Hauptgesellschafter von ICM. Beschreiben Sie doch bitte kurz, was Green Zero genau macht.
Die Idee dahinter ist die einer Gesellschaft, die im Einklang mit der Umwelt handelt und existiert und auch wirtschaftet. Ziel von GREENZERO ist, Unternehmen für ihre Produkten und Dienstleistungen, oder Kommunen und ihren Quartieren für ihre Stadt- und Quartiersentwicklung, eine Lösung zu bieten, die die Biosphäre nicht mehr belastet. Simpel gesagt machen wir drei Dinge: Wir erstellen Ökobilanzen von Quartieren, Produkten, Organisationen oder auch einzelnen Personen. Dann unterstützen wir Strategien der ökologischen Optimierung der jeweiligen Produkte, das bedeutet wir finden einen Weg zur maximalen Verringerung der Umweltwirkung. In einem dritten Schritt helfen wir den Unternehmen oder Kommunen, die unvermeidlichen, übrig geblieben Umweltwirkungen zu kompensieren, also durch ökologische Aufwertung auszugleichen. Unser Claim ist: „Gemeinsam umweltneutral handeln“. Wir möchten hin zu einer Gesellschaft kommen, in der wir die Natur durch unser Dasein nicht weiter belasten, sondern in Balance leben. „Neutral“ bedeutet dabei nicht ohne Wirkung, sondern in einem ausgeglichenen Verhältnis. Die grüne Null ist die Leitidee – eben Green Zero.
Warum passen Green Zero und ICM gut zusammen?
Wir verfolgen dieselbe Idee: Die nachhaltige Transformation der Gesellschaft. Die ICM tut das mit großem Erfolg im Bereich der Quartiers- und Stadtentwicklung. Die ICM hat Erfahrung, wie wir größere Teile der Gesellschaft in solche Transformationsprozesse mitnehmen können und wie man dieses Vorhaben in komplexen Projekten managt und gestaltet. Green Zero kann mit der ICM wachsen, gleichzeitig hat die Gesellschaft mit ihren verschiedenen Firmen eine etwas breitere Perspektive von der die ICM wiederum profitieren kann, weil wir uns auf alle ökologischen Wirkungen spezialisiert haben: Für uns liegt das Ziel in der Umweltneutralität, wir betrachten die Umweltwirkungen immer ganzheitlich. Insoweit ist das eine gute gegenseitige Ergänzung. Für ICM, die Green Zero Perspektive zu lernen, und für uns, in der ICM einen Partner für Quartiers- und Stadtentwicklung zu haben, was potentielle Kunden und Märkte angeht.
Wie lange haben Sie die Entwicklung von ICM schon verfolgt und an welchem Punkt haben Sie gemerkt, dass das ein Projekt sein könnte, das Sie gestalten wollen?
Ich beobachte die ICM und ihre Projekte schon länger aus der Distanz. Kennengelernt habe ich die ICM vor ziemlich genau einem Jahr, als ich auf der Suche war nach einem Dienstleister für unser Urban Zero Project in Duisburg-Ruhrort, da geht es um die Entwicklung eines umweltneutralen Quartiers. Bei meinem ersten Gespräch mit ICM-Geschäftsführer Burkhard Drescher hat es Klick gemacht. Da haben wir sofort festgestellt, dass das, was wir machen, unternehmerisch hervorragend zusammenpasst und es wert wäre, das gemeinsam in Zukunft weiterzuentwickeln. Wir waren beide relativ schnell entschlossen.
Wer sich die Entwicklung des Ruhrgebiets der letzten 40 Jahre anschaut, sieht ja, wie die ökologische Qualität sich dramatisch verbessert hat: Luft, Wasser, heute ist das Ruhrgebiet an vielen Stellen ein wunderbar grüner Ort.
Was sind Ihre Zukunftspläne mit und für ICM?
Drei Dinge wollen wir gemeinsam tun: Wir möchten den Blickwinkel der ICM erweitern auf weitere Umweltauswirkungen neben dem Klima: Biodiversitätsverluste, Land- und Wasserverbrauch, Versauerung, Eutrophierung (Anreicherung von Nährstoffen in einem Ökosystem )– all das sind große Herausforderungen, die besonders in Städten, in urbanen Räumen, zunehmen und für die es Lösungen braucht. Wir wollen die ICM dabei unterstützen, gemeinsam mit ihren Kunden die Perspektive zu erweitern. Außerdem wollen wir im Bereich der Umwelttechnologie nachhaltige Energie- und Mobilitätskonzepte und nachhaltige Partizipationsmöglichkeiten mit der Bevölkerung entwickeln. Also zusammengefasst möchten wir die ICM mit unseren Teams bereichern, die Kompetenzen erweitern und qualitativ wie auch quantitativ wachsen. Wir stellen grade massiv neue Leute ein, erhöhen die Belegschaft um 30 Prozent. Denn die Nachfrage nach den Leistungen der ICM ist riesig.
Der Standort bleibt aber Bottrop?
Ja. Bottrop ist die Zentrale, das Headquarter. Ob es dann zukünftig auch international Standorte geben wird, wird sich zeigen. Konkret gibt es noch keine Pläne, aber es ist natürlich wünschenswert zu wachsen und präsent zu sein. Es braucht dafür aber die personellen Kapazitäten und das ist derzeit unsere größte Herausforderung - gute Leute zu finden.
Sie sind in Essen aufgewachsen und sind auch beruflich hier im Ruhrgebiet aktiv: Warum ist ausgerechnet der „Kohlenpott“ ein geeigneter Standort für innovative Klimaschutzprojekte?
Ich bin 1968 im Essener Norden geboren, Luftlinie 200m vom Zechentor entfernt. Mein Großvater und meine Onkel mütterlicherseits waren alle unter Tage, also alles Bergleute. Die Familie meines Vaters sind alle auf dem Bau gewesen, Maurer, Schlosser. Mein Vater hat 30 Jahre Kohlekraftwerke bei der VEBA in Gelsenkirchen mitgebaut. Ich bin tief im Ruhrgebiet sozialisiert, das Ruhrgebiet ist meine Heimat. Insofern ist es auch für mich persönlich nicht ohne Emotion, dass sich meine unternehmerischen Aktivitäten im Ruhrgebiet abspielen. Das ist kein Zufall, sondern sicher auch Zeichen meiner Bindung an die Region. Das Ruhrgebiet hat gewaltiges Potential und hat schon mehrfach bewiesen, dass es in der Lage ist, unter größten Herausforderungen größte Leistungen zu erbringen und den industriellen Reichtum und Wohlstand unserer Gesellschaft immer wieder zu entwickeln.
Insofern glaube ich, ist das Ruhrgebiet hervorragend geeignet, jetzt im Bereich der Ökologie Lösungen bereitzustellen. Kohle und Stahl haben aus ökologischer Sicht Probleme kreiert, wir sind aber auch gut in der Lage, Probleme zu lösen: Wer sich die Entwicklung des Ruhrgebiets der letzten 40 Jahre anschaut, sieht ja, wie die ökologische Qualität sich dramatisch verbessert hat: Luft, Wasser, heute ist das Ruhrgebiet an vielen Stellen ein wunderbar grüner Ort. Der besondere Charme des Ruhrgebiets ist ja, dass wie neue Konzepte vor Ort unter realen Bedingungen erproben können. Es nützt uns ja nichts, in Katar oder Saudi Arabien in der Wüste eine klimaneutrale Stadt aufzubauen mit Milliarden-Aufwand, denn die Welt ist ja gebaut. 95% der Weltbevölkerung leben in gebauten Strukturen und da müssen wir anpacken.
Wir müssen beweisen, dass wir Transformation können. Es geht nicht um Neubau, es geht um Veränderung im Bestand. Und die ICM hat bewiesen, welche Potentiale in Städten liegen, und dabei in kurzer Zeit viel erreicht und wir wollen die Geschichte jetzt gemeinsam beschleunigt weiterschreiben.




Sie befassen sich tagtäglich mit der Vision eines umweltneutralen Lebens. Stellen wir uns das Ruhrgebiet in 50 oder 100 Jahren vor und nehmen an, dass sich alles Ihrem Sinne, also umweltneutral, entwickelt hat. Wie sähe es in Essen, Bochum, Bottrop und Co. aus? Was für ein Ruhrgebiet würden wir vorfinden?
Ohne jetzt pathetisch sein zu wollen: Ich stelle mir das Ruhrgebiet vor als gelungener Garten Eden. Grün und blau. Deutlich weniger Lärm- und Lichtemissionen. Eine andere Form von Mobilität, Ernährung und urbaner Existenz, in einem sozial weiterentwickelten Raum mit einer Lebensqualität, die viel besser ist, als wenn wir jetzt 50 Jahre in die Vergangenheit blicken. Ich habe die Luftverhältnisse in den 60er/70er Jahren erlebt als Kind, wenn die Wäsche rausgehängt wurde war sie grau, wenn sie wieder reingeholt wurde. Wenn wir diesen Unterschied im Erleben nehmen und mit 5 multiplizieren – so stelle ich mir das Ruhrgebiet in 50 bis 100 Jahren vor. Ein grünes, urbanes Areal mit modernster Technik, zukunftsweisenden Mobilitätskonzepten und hoher Lebensqualität für die Menschen. Das wünsche ich mir und ich bin mir sicher, wir schaffen das auch.
Wenn wir einen Moment innehalten und auf unsere Welt gucken, dann sagen heute 95% der Menschen, diese Welt ist sicher nicht die Beste, in der wir unterwegs sind. Wir haben also kein Erkenntnisproblem. Wir haben nur ein Umsetzungsproblem.
In Ihrem Buch „Projekt Green Zero“ beschreiben Sie Ihren Selbstversuch, Ihren ökologischen Fußabdruck auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Mit welcher Umstellung erreicht man als Einsteiger den größten Effekt?
Mein Einsteigertipp ist, weniger auf die Ökologie zu schauen und mehr darauf, was tut mir eigentlich gut, was brauche ich. Da stellen wir häufig fest, dass die Felder, die uns nicht guttun – Stichwort Ernährung und Mobilität – viel zu unserem Stress beitragen. Wer jeden Tag zwei Stunden zur Arbeit pendelt, der hat Stress, das ist kein Vergnügen. Und auch beim Thema Konsum stellen wir fest: Wir geben viel Geld für Dinge aus, die wir nicht brauchen. Jeder Deutsche kauft im Jahr im Schnitt 60 Kleidungsstücke, von denen 40 nach einmal tragen im Müll landen. Jeder von uns weiß das, wenn er in seinen Kleiderschrank guckt.
Wenn ich also erst einmal drauf schaue, wo kann ich mein Leben verbessern, lande ich automatisch auch bei den ökologisch relevanten Dingen. Unsere Ernährung, weltweit gesehen, ist das größte ökologische Problem. Würden wir uns anders ernähren, würden sich viele Probleme schlagartig erledigen. Und wir wären auch alle gesünder und hätten weniger Übergewicht in der westlichen Welt. Der Durchschnittsdeutsche hat 23 Prozent Übergewicht, der Durchschnittsamerikaner 35 Prozent. Eine andere Form der Ernährung hat so viel Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Und diese Form sieht so aus: Natürlicher, regional bzw. lokal produziert und optimalerweise in Bio-Qualität. Die Unterschiede sind tatsächlich riesig. Selbst das schlechteste Bio-Produkt ist noch ein Vielfaches besser als ein konventionelles Produkt. Und der zunehmende Verzicht auf tierische Produkte ist auch ohne Verlust von Lebensqualität möglich. Es ist einfach gesünder und reduziert viele Krankheiten.
Neben der Ernährung sind es die Konsumentscheidungen: Ich frage mich heute immer: Brauche ich das wirklich? Da, wo ich früher bedenkenlos „ja“ gesagt habe, sage ich heute in 90% der Fälle „nein“. Nicht, weil ich verzichten will, sondern es nicht zu kaufen, wenn ich es nicht brauche, hält mein Leben einfacher. Der dritte Teil ist Mobilität. Ohne jetzt Witze über die Deutsche Bahn zu machen: Wenn man auf den größeren Strecken längere Zeit unterwegs ist, dann ist Bahnfahren deutlich entspannter als drei oder vier Stunden auf der Autobahn.
Und wenn man Eigentümer:in eines Hauses, oder einer Wohnung ist – und das ist in Deutschland die Hälfte der Bevölkerung – gibt es attraktive Förderprogramme, die eigene Immobilie ökologisch deutlich aufzuwerten, mit Photovoltaik zum Beispiel. Und damit hat man die Felder zusammen: Wohnen, Ernährung, Mobilität, Konsum. Es geht nicht um ein calvinistisches Verzichtsmodell, sondern darum, eine neue Lebensqualität zu entdecken. Wenn wir einen Moment innehalten und auf unsere Welt gucken, dann sagen heute 95% der Menschen, diese Welt ist sicher nicht die Beste, in der wir unterwegs sind. Wir haben also kein Erkenntnisproblem. Wir haben nur ein Umsetzungsproblem.
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