Interviews

Kommt ein Bayer ins Bergbau-Museum


11. August 2020

Mit dem Stammrest eines Schuppenbaumes aus dem Karbonzeitalter startet der Rundgang „Steinkohle" im Bergbau-Museum Bochum. (Foto: Helena Grebe)

Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum bietet die größte Sammlung von Bergbautechnik und -utensilien in Europa. Angesichts der Corona-Pandemie gilt bis Ende September das „Zahl-watte-willst“-Prinzip. Ein Ortsbesuch mit der Erkenntnis: Tief im Westen kommt sogar manch ein Süddeutscher ins Staunen.

Töpfe, Kaffeetassen und Smartphones – diese und viele andere Alltagsgegenstände haben eines gemeinsam: Sie werden mit Rohstoffen hergestellt, die der Bergbau zutage fördert. Wie aus dem Millionen Jahre alten Stein ein Teil eines Smartphones wird, können Besucher im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum erfahren. Vier Rundgänge präsentieren mehr als 3.000 Exponate rund um das Thema Steinkohle. Highlight: das unterirdische Besucherbergwerk. Auf der 1,2 Kilometer langen Strecke erleben Interessierte neben imposanten Maschinen auch den mühevollen Arbeitsalltag der Bergleute, die bis zur Schließung der letzten Zechenanlage 2018 im Ruhrgebiet Steinkohle gefördert haben.

Angesichts der Corona-Pandemie sind die Führungen jedoch auf acht Teilnehmende begrenzt und werden mit Audioführsystemen durchgeführt. Wie beim Besuch der Dauerausstellungen gilt während der Führungen Maskenpflicht. Zudem ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Die Fahrt auf das Wahrzeichen des Museums, das 70 Meter hohe Fördergerüst, sowie der Seilfahrt-Simulator sind mit Blick auf die geltenden Hygiene-Auflagen nicht möglich. Deshalb gilt bis Ende September das „Zahl-Watte-willst“-Prinzip. Damit möchte die Museumsleitung auch auf die vielerorts angespannte Finanzsituation Rücksicht nehmen und kulturelle Teilhabe nicht vom Eintrittsgeld abhängig machen.

Das Museum, das 1930 gegründet worden ist, hatte sein Ausstellungskonzept von 2016 bis 2019 auf den Kopf gestellt und war während dieser Zeit geschlossen. Ein Team aus jungen Kuratorinnen und Kuratoren erarbeitete gemeinsam mit Ausstellungsgestaltern und Museumspädagoginnen Vermittlungs- und Präsentationsformen für die thematischen Schwerpunkte der neuen Dauerausstellung: Geschichte der deutschen Steinkohle, Mensch und Bergbau epochen- und spartenübergreifend, Georessourcen sowie Kunst und Kultur im Bergbau.

Die Vielfalt der Exponate spiegelt die Bandbreite der Sammlungen des Museums wider: Von der Großmaschine im Original über Archivalien wie Plakate, Urkunden, Filme und Fotografien bis hin zu archäologischen Funden, Skulpturen und einer Porzellansammlung. Ergänzt werden die klassischen Ausstellungsobjekte durch Medienstationen – etwa mit Interview-Ausschnitten aus einem eigenen Oral-History-Forschungsprojekt sowie einem digitalen Spiel auf einer 180-Grad-Leinwand. Die Neugestaltung der Rundgänge zu den Themen Steinkohle und Mensch sowie Bergbau wurden vom Initiativkreis-Partnerunternehmen, der RAG-Stiftung, initiiert und gefördert.

Blick ins Museum


Interview: „Urlaub im Ruhrgebiet ist auch für Weißwurst-Esser ein Genuss“

Im Museum geht es über eine Rampe, unter einer Kauen-Installation hindurch, hinab – sozusagen ein kleines Stück unter Tage. Im Tiefkeller des Museums sind die mächtigen Maschinen des Bergbaus ausgestellt. Hier treffen wir Frank Bartel zum Interview. Der studierte Ingenieur macht Kurzurlaub im Ruhrgebiet – und hat ein Faible für Industriegeschichte.

Herr Bartel, Sie sind in der bayerischen Kreisstadt Dingolfing aufgewachsen und wohnen seit 2018 im baden-württembergischen Ludwigsburg. Warum zieht es Sie für ein verlängertes Wochenende ins Ruhrgebiet?
Frank Bartel: „Ich bin für ein paar Tage zu Besuch bei einem guten Freund, der mit seiner Familie in Moers wohnt. Das Ruhrgebiet ist für mich der Inbegriff von lebendiger Industriekultur, über die ich gerne mehr erfahren möchte. Mein Großonkel hatte außerdem viele Jahre eine Tierarztpraxis in Wattenscheid. Bei meinen regelmäßigen Besuchen habe ich den Wandel der Region ein bisschen miterleben dürfen. Ich mag den unverblümten Humor der Menschen hier, komme gerne zum Live-Wrestling in die Oberhausener Turbinenhalle und liebe Currywurst. Urlaub im Ruhrgebiet ist also auch für Weißwurst-Esser ein Genuss.“ (lacht)

Frank Bartel (37) aus dem baden-württembergischen Ludwigsburg vor dem Zugfahrzeug einer Einschienenhängebahn, einer sogenannten Dieselkatze, im Bochumer Bergbau-Museum. (Foto: Initiativkreis Ruhr)

Aber Ihr Herz schlägt am Ende dann doch für Ihre süddeutsche Heimat?
Bartel: „Heimat ist ein vielfältiger Begriff. Ich bin in Siebenbürgern geboren, meine Eltern sind mit mir und meiner älteren Schwester nach Deutschland gezogen, als ich sieben Monate alt war. Ich bin in Bayern zur Schule gegangen, habe an der Technischen Hochschule Deggendorf studiert und arbeite aktuell als Produktmanager, nach zuvor zwölf Jahren in der Entwicklung. Natürlich fühle ich mich mit Süddeutschland besonders verbunden. Ich sage aber aus voller Überzeugung, dass mein Herz für Deutschland schlägt. Gerade die Corona-Pandemie hat meiner Meinung nach gezeigt, dass wir uns glücklich schätzen können, in diesem Land zu leben.“

Heute stand bei Ihnen ein Tagesausflug ins Deutsche Bergbaumuseum Bochum auf dem Programm. Wie fällt ihr Fazit aus?
Bartel: „Mit den Zechenschließungen 2018 ist eine stolze und traditionsreiche Industriebranche verschwunden. Hier im Bergbaumuseum lebt sie respektvoll weiter. Das gefällt mir. Und trotz Corona gibt es ein tolles Angebot für junge Besucher – etwa Kinderführungen unter Tage. So kommt jeder auf seine Kosten.“

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