Interviews

Uwe Lyko alias Herbert Knebel: „Wir sind alle Verlierer dieser Corona-Krise“


22. Januar 2021

„Im Liegen geht's" - so lautet das Programm, mit dem Uwe Lyko alias Herbert Knebel vor Ausbruch der Corona-Pandemie durch Deutschland getourt ist. (Foto: Thomas Willemsen)

Er ist Ehemann, Großvater, Fußballfan, Musiker und Alltagsphilosoph: Herbert Knebel. Der Ruhrpott-Rentner, eine Kunstfigur des gebürtigen Kabarettisten Uwe Lyko, steht seit mehr als 30 Jahren auf der Bühne und analysiert das Zeitgeschehen. Im Januar hat der gebürtige Duisburger den Comedy-Preis „Hurz“ erhalten. Warum das für ihn eine besondere Ehre ist und welche Sorgen er sich wegen der Corona-Pandemie um die Kulturszene im Ruhrgebiet macht, hat er uns im Interview verraten.

Herr Lyko, was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem Comedy-Preis „Hurz“?
Vorab muss ich sagen, dass ich mit Preisen eigentlich nicht viel anfangen kann. Ich hatte mich irgendwann dazu entschieden, keine anzunehmen, weil ein Preis ja eigentlich etwas sehr Willkürliches ist. Ich habe bislang immer gesagt: Leute, veranstaltet ein Tischtennis-Turnier, wo wir Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau spielen – und wenn ich dann Erster werde, nehme ich den Pokal an. Aber bei dem Ehren-„Hurz“ mache ich eine Ausnahme, weil ich großer Hape-Kerkeling-Fan bin. Und weil das Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen, wo die Verleihung ja eigentlich stattfinden sollte, einer meiner absoluten Lieblingsspielorte ist. Und da habe ich mir gedacht: Den Preis nimmst du an. Jetzt eben mit der Besonderheit, dass alles per Livestream und ohne Publikum stattfindet, auch wenn das natürlich sehr traurig ist.

Herbert Knebel freut sich über den „Ehren-Hurz". (Foto: Thomas Willemsen)

Wie fällt denn Ihr berufliches Fazit seit Beginn der Pandemie aus?
Seit Corona komme ich auf einen Kurz-Auftritt vor Publikum, das war Open Air im Sommer. Meine letzten Sendungen bei den Mitternachtsspitzen haben wir ohne Zuschauer abgedreht. Das war wirklich total befremdlich. Denn bei den Nummern, die man spielt, hat sich ja ein Timing ergeben, das auch von den Publikumsreaktionen abhängt. Man weiß: Jetzt wird gelacht, dann macht man eine kurze Pause, dann geht es weiter. Und was passiert in Corona-Zeiten? Nichts, denn da kommen plötzlich gar keine Lacher mehr. Man muss seinen Auftritt also im Prinzip von vorne bis hinten durchhecheln und sich zwischendurch klarmachen: Da sitzen Leute am Laptop oder Smartphone, lachen jetzt bestimmt, aber du bekommst es eben nicht mit. Das ist für einen Künstler schon schwierig.

Kann man der aktuellen Situation denn überhaupt mit Humor trotzen?
Nein, leider kann man dieser Corona-Pandemie auch als humorvoller Mensch kaum mehr mit Witzen oder lustigen Videos begegnen. Am Anfang hat das noch ganz gut geklappt. Jetzt muss jeder einfach selbst schauen, dass er sich nicht herunterziehen lässt und etwas dagegen unternimmt.

Wie genau klappt das bei Ihnen?
Ich zwinge mich dazu, täglich 1-2 Stunden spazieren zu gehen, damit ich nicht verwahrlose (lacht). Hin und wieder gibt es auch längere Wanderungen von bis zu fünf Stunden. Außerdem spiele ich oft Gitarre und lese viel. Ganz ehrlich: Ich vermisse es, ins Kino, ins Theater oder in ein Restaurant zu gehen und mich unbegrenzt mit Freunden treffen zu können. Aber am meisten fehlt mir natürlich das Spielen vor Publikum. Deshalb freue ich mich schon jetzt auf meinen ersten Aufritt in 2021 unter normalen Bedingungen.

Leider kann man dieser Corona-Pandemie auch als humorvoller Mensch kaum mehr mit Witzen oder lustigen Videos begegnen.

Gab es denn trotzdem einen Lichtblick in dieser schwierigen Zeit?
Ein Highlight war das Livestream-Konzert im Zuge unseres Projekts „Herbert Knebels Affentheater privat“. Dort treten wir ohne Kostüme auf und spielen Rock- und Popsongs im Original. Im Juni 2020 haben wir so mehr als 800 Zuschauer erreicht. Bei Youtube ist der Auftritt mittlerweile mehr als 11.000 Mal aufgerufen worden. Ich habe mir sagen lassen, dass das ganz beachtliche Zahlen sind – also nicht schlecht, für eine Rentnerband (lacht).

Welche Sorgen machen Sie sich um die Kulturszene?
Ich mache mir große Sorgen um die Kulturszene. Viele Menschen werden auf der Strecke bleiben oder haben diese Erfahrung schon machen müssen. Ich habe vor kurzem einen tollen Aufsatz gelesen, von jemandem aus der Filmbranche. Der Artikel war überschrieben mit „Die Seele stirbt“ – und so fühlt es sich zurzeit an. Unter dem Motto „Künstler spenden Freude“ habe ich mich deshalb bereits an einer Spendenaktion beteiligt. Ich gehöre schließlich auch zu den Künstlern, die etwas wohlhabender sind. Es gibt ja auch viele Kolleginnen und Kollegen, die jetzt ganz am Anfang ihrer Karriere ausgebremst worden sind oder die sich bis zum Lockdown nicht genügend Kapital auf die Seite schaffen konnten, weil sie eben immer nur vor 50-60 Zuschauern spielen. Denen sollten wir unter die Arme greifen – deshalb mache ich demnächst auch bei einer Benefiz-Aktion mit.

Wer sind für Sie die größten Verlierer dieser Pandemie?
Ich finde, wir alle sind Verlierer dieser Corona-Krise – bis auf die Leute vielleicht, die Masken und Impfstoff verkaufen.

Was regt Sie zurzeit besonders auf?
Diese Querdenker regen mich total auf, weil sie unfassbar doof sind. Ich finde, man muss sich mit diesen Leuten gar nicht mehr auseinandersetzen, weil da einfach Hopfen und Malz verloren ist. Mitunter sind diese Menschen einfach rücksichtslos und asozial. Und genau das ist für mich auch das Beängstigende an dieser Pandemie: Dass es nicht nur einen Virus gibt, der jeden anstecken und viele töten kann, sondern auch, wie viele asoziale Leute nach oben geschwemmt werden, die jetzt auf einmal Konjunktur haben.

Diese Querdenker regen mich total auf, weil sie unfassbar doof sind.

Sie lassen sich also impfen?
Ich werde mich gegen Corona impfen lassen und rate allen dazu, es auch zu tun.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich heute raten?
Ich habe als jüngeres Ich ja eigentlich alles richtig gemacht und mich nicht sofort in die Kulturszene gestürzt. Als „Bruder Vorsichtig“ habe ich eine ganz normale Berufsausbildung absolviert und war lange Fernmeldetechniker. Ich hatte also nebenher immer eine feste Arbeitsstelle und habe meinen bürgerlichen Beruf erst gekündigt, nachdem ich schon in der Kulturszene mit „Knebels Affentheater“ Fuß gefasst hatte. Mein Rat: Habt immer zwei Standbeine und verlasst euch nicht nur auf eine  Sache – schon gar nicht in der Kulturbranche.

„Hurz“-Verleihung als Live-Stream

Die „Hurz“-Verleihung hat am Montag, 25. Januar 2021, stattgefunden und wurde live aus dem Studio des Recklinghäuser Unternehmens Urbanfilm gestreamt. Auch Comedian Chris Tall („Der-Wolf-das-Lamm-Hurz") und der Dortmunder Kabarettist Torsten Sträter (Heimat-„Hurz“) gehörten zu den Preisträgern. Zudem gab es einen Nachwuchswettbewerb, bei dem David Kebekus, Jacqueline Feldmann und „Reis against the Spülmachine“ an den Start gingen. Der kleine „Hurz“ ging am Ende an Feldmann. Das Besondere: Neben einer Experten-Jury hatten auch die Zuschauerinnen und Zuschauer die Möglichkeit, sich im Netz über die Homepage www.derhurz.de mithilfe eines Voting-Tools und ohne Registrierung an der Abstimmung zu beteiligen. Die Veranstaltung kann man bei Youtube noch einmal anschauen.

Das sagen die drei Preisträger zur „Hurz"-Verleihung

Wir haben mit ihnen über Humor in schwierigen Zeiten, die Sorgen der Kulturbranche und ihre Liebe zum Ruhrgebiet gesprochen.

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