Berichte
Vorschläge der Ruhr-Konferenz in entscheidender Phase
17. Oktober 2019




Dem Ruhrgebiet neue Impulse zu geben, das hat sich die Ruhr-Konferenz auf die Fahne geschrieben. Dabei sollen Themen wie Energiewende und Klimaschutz, Wissenschaft und Innovationen, Zukunft der Arbeit oder neue Mobilität angepackt werden. In elf der insgesamt 20 Themenforen sind Vertreter von Mitgliedsunternehmen des Initiativkreises Ruhr eingebunden. Über ihre Erwartungen und Vorschläge haben sie uns in einer Interview-Reihe berichtet.
Dabei wurde deutlich: Es mangelt nicht an Visionen für ein neues Ruhrgebiet. Einig sind sich die Mitwirkenden der Ruhr-Konferenz darin, dass man beim Thema Mobilität vorankommen muss. Das Ruhrgebiet kämpfe mit überlasteten Straßen und Brücken, maroden Schleusen und unzuverlässigen Zugverbindungen, monierte etwa Christian Kullmann, der das Forum „Wie können wir die Metropolregion als Sport- und Eventort stärker etablieren?“ moderierte. Sport und Infrastruktur seien für ihn zwei miteinander verbundene Themen, betonte der Chef des Spezialchemiekonzerns Evonik Industries SE. Und hatte auch einen ganz konkreten Vorschlag, um Potentiale zu nutzen: „Warum sollten wir nicht mal selbstbewusst den Hut in den Ring werfen und uns um Olympische Spiele bewerben?“ meint er. Das Ruhrgebiet würde damit ein positives Signal weit über die eigene Region hinaus setzen, gleichzeitig könne ein solcher Bewerbungsprozess ganz neue Kräfte freisetzen, ist Kullmann überzeugt.
Warum sollten wir nicht mal selbstbewusst den Hut in den Ring werfen und uns um Olympische Spiele bewerben?Christian Kullmann, Chef des Spezialchemiekonzerns Evonik Industries SE
Deutsche Bahn-Vorstand Ronald Pofalla forderte ein Umdenken bei den Erweiterungen von Schienennetzen. Der Moderator des Forums „Neue Mobilität. Wie vernetzen wir die Metropolregion Ruhr?“ will neben dem klassischen Ausbau auf die „Digitale Schiene Deutschland“ setzen. „Damit schaffen wir mehr Platz und sorgen für zusätzliche Zugfahrten ohne weiteren Streckenneubau. Das bringt bis zu 35 Prozent mehr Kapazität auf dem vorhandenen Schienennetz“, sagte er im Interview. Neben der Mobilität ist für Ulrich Radtke auch eine ausreichende Zahl an Schul- und Betreuungsplätzen entscheidend: „Die Infrastruktur beeinflusst die Lebensqualität ebenso wie wirtschaftliche Wertschöpfungspotentiale. Hier gibt es sicher Steigerungsmöglichkeiten“, meint der Rektor der Universität Duisburg-Essen und Moderator des Forums „Wie gelingt es durch mehr Kooperation und intelligente Vernetzung, mehr Lehrerinnen und Lehrer für das Ruhrgebiet auszubilden?“.
Die Infrastruktur beeinflusst die Lebensqualität ebenso wie wirtschaftliche Wertschöpfungspotentiale. Hier gibt es sicher Steigerungsmöglichkeiten.Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen
Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender Stiftung Zollverein, vom Forum „Wie nutzen wir die Digitalisierung für den Tourismus?“ hat als Generalmanager des Welterbes konkrete Potentiale erkannt. „Ich verfolge das Ziel, die Digitalisierung für die Ertüchtigung der touristischen Infrastruktur auf dem Standort zu nutzen und auf diese Weise exemplarisch unsere Wandlungskompetenz aufzeigen“, sagte er. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes fordert, dringend etwas für die Ökosysteme in der Metropolregion zu tun. „Der Klimawandel wartet nicht“, sagte der Moderator des Forums „Wie kann die Grüne Infrastruktur gestärkt werden, um zur ökologischen Vielfalt und zur Anpassung an den Klimawandel beizutragen und die Region lebenswerter zu machen?“ Er setzt sich dafür ein, Stadtplanung neu zu denken. „Durch die Begrünung von Dächern, Baumpflanzungen oder mehr Versickerungsflächen können Niederschläge gespeichert werden. Bei Verdunstung tritt ein Kühlungseffekt ein, und die Feinstaubbildung wird gesenkt“, erklärte er.
Eckhard Forst freut es, dass das Land NRW bis 2025 sieben Milliarden Euro zusätzlich in ein flächendeckendes Gigabit-Netz mit Glasfaser investieren will. Allerdings hat der Vorstandsvorsitzende der NRW.BANK und Moderator des Forums „Wie stärken wir die Innovationsfähigkeit?“ festgestellt, dass sich vor allem die mehr als 750.000 kleinen und mittleren Unternehmen der Digitalisierung stärker stellen müssten.
Entscheidend ist für mich, dass sich alle Mitwirkenden am Gemeinwohl orientieren und keine Partikularinteressen verfolgen. Gewinnerinnen und Gewinner müssen alle hier lebenden Menschen sein.„Ruhrbischof“ Franz-Josef Overbeck
Allen Moderatoren gleichermaßen wichtig war, dass die Ideen nicht an der Lebenswirklichkeit der Menschen im Ruhrgebiet vorbeigehen. „Entscheidend ist für mich, dass sich alle Mitwirkenden am Gemeinwohl orientieren und keine Partikularinteressen verfolgen. Gewinnerinnen und Gewinner müssen alle hier lebenden Menschen sein“, sagte etwa „Ruhrbischof“ Franz-Josef Overbeck, der dem Beirat der Konferenz angehört. Klar ist, dass das nur gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Evonik-Chef Kullmann sieht es sportlich: „Das Ruhrgebiet kann nur gewinnen, wenn es sich als ein Team versteht und so im internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb den Willen zum Erfolg signalisiert.“
In den Themenforen wurden insgesamt 75 Vorschläge für konkrete Projekte erarbeitet. Jetzt befindet sich die Konferenz in der zweiten Phase – „Entscheiden“. „Aus den Vorschlägen der Themenforen bilden wir jetzt ein Gesamtpaket, das der Region einen Impuls in allen Bereichen gibt“, sagt Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales, der die Ruhr-Konferenz verantwortet. Derzeit sammelt die Landesregierung die Rückmeldung von Kommunen, Verbänden und von Bürgerinnen und Bürgern. Ende Oktober wird sie darüber entscheiden, welche der Projektvorschläge in Leitprojekte der Ruhr-Konferenz münden sollen.
Aus den Vorschlägen der Themenforen bilden wir jetzt ein Gesamtpaket, das der Region einen Impuls in allen Bereichen gibt.Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales
Interviews in dieser Reihe:
Dr. Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen
Eckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW.BANK
Dr. Johannes Teyssen, Vorsitzender des Vorstands der E.ON SE
Professor Dr. Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen
Christian Kullmann, Vorsitzender des Vorstandes der Evonik Industries AG
Ronald Pofalla, Vorstand der Deutsche Bahn AG
Professor Dr. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender Stiftung Zollverein
Professor Dr. Uli Paetzel, Chef von Emschergenossenschaft und Lippeverband
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