Interviews
Gründerfonds ist nah dran an den Startups des Ruhrgebiets
19. März 2021




Jan Gräfe führt seit Jahresbeginn gemeinsam mit Thorsten Reuter den Gründerfonds Ruhr. Den Risikokapital-Fonds mit besonderem Fokus auf die Region haben Initiativkreis Ruhr und NRW.BANK gemeinsam initiiert. Wie sich die aktuellen Investments entwickeln und was das Ruhrgebiet anderen Startup-Ökosystemen voraus hat, erläutern die beiden Geschäftsführer im Interview.
Jan Gräfe, was reizt Sie an der neuen Aufgabe als Geschäftsführer des Gründerfonds Ruhr?
Jan Gräfe: Zunächst einmal bin ich neugierig und freue mich darauf, ein für mich neues und dynamisches Ökosystem kennenzulernen und hier tiefer einzutauchen. Dabei sehe ich das Ruhrgebiet als eine Region im Wandel, die ganz viele Chancen bietet. Als Industrie- und Energiezentrum bestehen viele Anknüpfungspunkte, bei denen Startups mit innovativen Lösungen die Zukunft in diesen Branchen mitgestalten und den Weg weisen können. Aber auch abseits von Branchenfeldern, die man traditionell mit dem Ruhrgebiet verbindet, bestehen Themen mit Leuchtturm-Potential, wie zum Beispiel im Bereich Cybersecurity in Bochum, Logistik in Duisburg und Dortmund oder Gesundheit in Essen, um nur ein paar zu nennen. Darüber hinaus werden sich viele weitere Möglichkeiten auftun, neue Potenziale für das Ruhrgebiet zu erschließen, die sich aus dem Zusammenspiel von innovativen Ideen, ambitionierten Unternehmer*innen und starken Partnern entwickeln werden. Diesen Wandel mitzugestalten reizt mich sehr.
Der Gründerfonds Ruhr ist für diese Aufgabe hervorragend aufgestellt. Als regional verwurzelter Venture Capital Fonds sind wir Teil des Ökosystems und ganz nah an den Themen dran. Damit können wir frühzeitig Gründerinnen und Gründer in der Region mit Kapital und Expertise unterstützen. Genauso wertvoll aus meiner Sicht ist unser Investoren- und Partnernetzwerk, über das wir Zugang zu potenziellen Kooperationspartnern, Kunden und Mitinvestoren bieten können.
Wir sind mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden und vor allem auch dankbar, mit so vielen hervorragenden Gründerteams zusammenzuarbeiten.
Wie entwickeln sich die aktuellen Investments des Gründerfonds?
Jan Gräfe: Der Gründerfonds Ruhr hat mittlerweile sechs Wachstumsunternehmen im Portfolio. Mit Abalos und Emergence wurde in zwei Unternehmen aus dem Life-Science-Bereich investiert, die neue Therapieansätze zur Bekämpfung von Krebs entwickeln. Fasciotens ist ein Startup im Medizintechnikbereich und unterstützt Chirurgen im OP-Saal mit innovativen Produkten. Unser Portfoliounternehmen DIMATE digitalisiert mit seinen Produkten den Bereich der Werkstoffprüfung und hilft damit Industrieunternehmen beim digitalen Wandel. Talpasolutions adressiert mit ihrer „Industrial Internet of Things & Data Analytics“-Plattform Unternehmen aus dem Bergbaubereich und unterstützt sie bei der Vernetzung ihrer Maschinen und liefert datengetriebene Entscheidungshilfen. Unser jüngstes Investment Masterplan bietet seinen Kunden ein Betriebssystem zur innerbetrieblichen Weiterbildung und fördert diese durch eine unterhaltsame und nutzerfreundliche Lernumgebung.
Thorsten Reuter: Wir sind mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden und vor allem auch dankbar, mit so vielen hervorragenden Gründerteams zusammenzuarbeiten. Unsere Portfoliounternehmen Emergence Therapeutics, Fasciotens und Talpasolutions haben Ende letzten Jahres erfolgreich eine weitere Finanzierungsrunde abgeschlossen. Insgesamt sind alle Gesellschaften relativ gut durch das herausfordernde letzte Jahr gekommen und auch für 2021 gut aufgestellt.




Der Gründerfonds sucht sich für seine Investments immer Co-Investoren. Warum ist das so?
Thorsten Reuter: Der Gründerfonds ist damit in guter Gesellschaft. Typischerweise besteht eine Finanzierungsrunde aus mehreren Investoren. Investitionen in Startups zeichnen sich durch ein hohes Risiko aus. Bei einem Konsortium wird das Risiko auf mehrere Schultern verteilt, was überhaupt erst viele Investitionen ermöglicht. Neben der Risikoteilung bringen die Investoren aber auch Expertise und komplementäre Stärken ein, so dass die Gründer und damit auch das Unternehmen von einer breiteren Wissensbasis profitieren.
Das Ruhrgebiet wird die Stärken der einzelnen Regionen besser ausspielen können, wenn sie gemeinsam genutzt werden. Das gilt genauso für eine stärkere Vernetzung mit anderen Ökosystemen.
Investoren von Wagniskapital haben bislang hierzulande vor allem Berliner Startups im Blick. Wie schlägt sich aktuell das Ruhrgebiet?
Jan Gräfe: Das Berliner Ökosystem zieht den Großteil der Aufmerksamkeit auf sich und ist ohne Frage eine Erfolgsgeschichte. Es zeigt sehr schön, was möglich ist und was sich über die Zeit entwickeln kann. Daher ist es auch so wichtig, dass wir im Ruhrgebiet weiter daran arbeiten, das Ökosystem weiterzuentwickeln und die Voraussetzungen für Gründer*innen und Startups weiter zu verbessern. Dazu gehört, das Thema Gründung insgesamt aufzuwerten.
Thorsten Reuter: Als Bildungs- und Forschungsstandort beherbergt das Ruhrgebiet so viele Talente. Wenn sich mehr Gründerinnen und Gründer darunter finden, wäre schon viel gewonnen. Die zahlreichen Initiativen wie zum Beispiel die Gründerallianz Ruhr, Exzellenz-Startup-Center und Inkubator-Programme geben hier ganz wichtige Impulse.
Jan Gräfe: Darüber hinaus ist auch eine stärke Verzahnung der einzelnen Hubs wichtig. Das Ruhrgebiet wird die Stärken der einzelnen Regionen besser ausspielen können, wenn sie gemeinsam genutzt werden. Das gilt genauso für eine stärkere Vernetzung mit anderen Ökosystemen.
Im Ruhrgebiet hat sich durch eine Reihe von Initiativen – wie etwa der Gründerallianz Ruhr – ein dynamisch wachsendes Startup-Ökosystem entwickelt. Was unterscheidet die Gründerszene des Ruhrgebiets von denen anderer Regionen?
Jan Gräfe: Die Gründerallianz Ruhr ist ein tolles Beispiel für die vielen Initiativen, die im Ruhrgebiet positiv zum Aufbau und Zusammenwachsen des Ökosystems beitragen. Die Gründerallianz hilft dabei, die verschiedenen Spieler – Startups, Investoren, Unternehmen – aus unterschiedlichen Regionen miteinander zu vernetzen. Anders als in Berlin, wo die Wege kurz sind, gibt es im Ruhrgebiet mehrere Standorte. Die Möglichkeit, als Dortmunder Startup einen Investor aus Essen schnell und spontan auf einen Kaffee zu treffen, ist da etwas eingeschränkter. Umso wichtiger sind Initiativen wie die Gründerallianz, die über die Regionen hinweg Kontakt und Austausch ermöglichen.
Bei all dem Wandel zeichnet sich das Ruhrgebiet durch eine starke Identität und hohe Verbundenheit aus. Aber auch wenn viele Regionen des Ruhrgebiets durch Industrialisierung und Bergbau eine ähnliche Prägung teilen, bleibt es eine vielfältige Region, in der es viel zu entdecken gibt.
Der Data Hub der Gründerallianz Ruhr hat durch seine Kooperation mit etablierten Unternehmen zum Beispiel aus dem Netzwerk des Initiativkreises Ruhr die Aufmerksamkeit von Gründern aus aller Welt geweckt. Hat das Ruhrgebiet das Zeug dazu, ein Startup-Hotspot von internationalem Rang zu werden?
Thorsten Reuter: Der Data Hub zeigt aus meiner Sicht sehr schön, wie eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Startups aussehen kann. Startups lösen mit innovativen Ansätzen konkrete Probleme von etablierten Unternehmen. Dabei bekommen sie die Möglichkeit, ihr Produkt unter realen Bedingungen zu testen und mit den gewonnenen Erkenntnissen weiter zu verfeinern. Unternehmen sehen wiederum den direkten Mehrwert der Zusammenarbeit, so dass im Idealfall eine Kooperation, Kundenbeziehung oder auch Investition als Ergebnis herauskommt.
Jan Gräfe: Das Ruhrgebiet stärker auf der internationalen Landkarte der Startup Standorte sichtbar zu machen ist ein Ziel, dem wir alle nachgehen und ein weiterer wertvoller Beitrag des Data Hubs. Für sich genommen erfüllt die Region bereits viele Voraussetzungen, sich weiter zu einem pulsierenden Standort für Startups zu entwickeln. Die Notwendigkeit zum Wandel, eine breite Hochschul- und Forschungslandschaft sowie viel Engagement und Initiative von privater wie öffentlicher Seite bilden ein starkes Fundament.
Was macht für Sie ganz persönlich den Reiz des Ruhrgebiets aus?
Jan Gräfe: Bei all dem Wandel zeichnet sich für mich das Ruhrgebiet durch eine starke Identität und hohe Verbundenheit aus. Aber auch wenn viele Regionen des Ruhrgebiets durch Industrialisierung und Bergbau eine ähnliche Prägung teilen, bleibt es für mich eine vielfältige Region, in der es viel zu entdecken gibt. Entsprechend freue ich mich, das Ruhrgebiet und seine Regionen jetzt auch persönlich besser kennenzulernen.
Thorsten Reuter: Als gebürtiger Bochumer bin ich ein „Kind des Ruhrgebiets“ und somit mit den Menschen und der Region tief verbunden. Nach vielen Jahren in Berlin und den USA hat es mich Mitte 2017 wieder zurück hier in die Region gebracht, und ich habe mich durch die Offenheit der Menschen schnell wieder heimisch gefühlt. Das Ruhrgebiet ist ja zudem auch durch stetigen Wandel gekennzeichnet und diese Charakteristika sind traditionelle Stärken, die positiv die Etablierung einer neuen Gründungskultur mit voranbringen können.
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